Wortbildung einfach erklärt: Wie entstehen Wörter?

Täglich kommen neue Wörter in den deutschen Wortschatz. Doch sie werden in der Regel nicht frei erfunden, sondern aus bereits bestehendem Wortmaterial gebildet. Neben Fremdwörtern und Lehnwörtern sind es oft morphologische Prozesse, die so den Wortschatz einer Sprache bereichern.

Als Quelle verwenden (APA)

Methling, R. (2025, 29. Juli). Wortbildung einfach erklärt: Wie entstehen Wörter?. https://www.linguistik.online. Abgerufen am XX.XX.20XX, von https://linguistik.online/wie-entstehen-woerter/

Dieser Artikel wurde am 29.07.2025 von Ralf Methling auf inhaltliche Korrektheit überprüft und aktualisiert.

Lernvideo: Wie entstehen Wörter?

Laut Webseite des Dudenverlags wurden im Juli 2025 die folgenden vier Wörter in den deutschen Wortschatz aufgenommen:

Es sind Wörter, die aus Teilen bestehen, die bereits in der deutschen Sprache enthalten sind (Naturverjüngung). Andere setzen sich aus Elementen zusammen, die aus dem Englischen stammen (pop-up-Radweg). Allen Wörtern liegen typische, deutsche Wortbildungsprozesse zugrunde.

Wortneuschöpfung: Wörter erfinden

Komplett frei erfundene Wörter sind selten. Ein Beispiel hierfür ist das Wort Muggel (es bedeutet: Person, die nicht eingeweiht ist in etwas, von bestimmten Dingen nichts weiß). Wenn sie auftauchen, dann stammen sie überwiegend von einflussreichen Marken, wie auch das Wort googeln. Diesen Prozess des Erfindens nennt man Urschöpfung (auch: Wortneuschöpfung, Neologismus).

Quelle

„Muggel“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/99644/revision/1442238 (Abrufdatum: 29.07.2025)

Fremdwörter: Wörter ausleihen

Wesentlich häufiger als die Wortneuschöpfung ist das Übernehmen von Wörtern einer anderen Sprache. Diese Wörter nennt man Fremdwörter.

Fremdwörter sind Wörter, die aus einer anderen Sprache übernommen und noch nicht vollständig in die deutsche Grammatik oder Aussprache integriert wurden. Im Gegensatz zu Lehnwörtern, die sich stärker an die deutsche Sprache angepasst haben, behalten Fremdwörter oft ihre ursprüngliche Form und Aussprache.

Beispiele:

  • Fremdwort: Bonsai (aus dem Japanischen), challengen (Englisch)
  • Lehnwort: Fenster (ursprünglich lateinisch fenestra, heute aber völlig eingedeutscht)

Diese Unterscheidung zeigt, dass nicht jedes „importierte“ Wort gleich wahrgenommen wird.

Die Geschichte der Fremdwörter im Deutschen

Die Geschichte der deutschen Sprache ist eng mit anderen Kulturen verflochten. Besonders Latein, Französisch und Englisch haben den Wortschatz geprägt.

  • Latein: Die Sprache der Kirche und Wissenschaft brachte Begriffe wie Doktor, Kanzel oder Magister.
  • Französisch: Besonders im 17. und 18. Jahrhundert beliebt (Portemonnaie, Plakat, Lotterie).
  • Englisch: Moderne Globalisierung brachte Wörter wie Smartphone, Computer, Download.

Aber auch Italienisch (Bank, Sonett), Griechisch (Theater, Philosophie) und viele andere Sprachen haben Spuren hinterlassen. Selbst exotische Begriffe wie Sauna (finnisch), Kajak (grönländisch) oder Joghurt (türkisch) haben ihren Weg ins Deutsche gefunden.

Lehnwörter: Wörter importieren

Nicht jedes Fremdwort bleibt ein Fremdwort. Wenn es sich an die deutsche Sprache anpasst, wird es zu einem Lehnwort.

Wann wird ein Fremdwort zu einem Lehnwort?

  • Angepasste Aussprache: Beispiel Sprint – ursprünglich englisch, heute mit typisch deutscher Lautung.
  • Verdeutschte Rechtschreibung: Beispiel Keks von cakes.
  • Grammatische Integration: Neue Wortformen wie ich chatte, wir downloaden und er challengt ihn.

Beispiele für Lehnwörter im Deutschen

  • Französisch: Balkon, Portemonnaie, Chauffeur
  • Englisch: Keks, Chat, Computer
  • Latein: Status, Risiko, Lexikon

Komposition: Bestehende Wörter verbinden

Ein sehr häufiger Prozess, bei dem Wörter, die es schon gibt, verbunden werden, ist die Komposition. Sie ist so leistungsfähig, dass man das neue Wort sofort versteht, ohne dass man es vorher gesehen hat. Bei der Komposition werden freie Morpheme miteinander verbunden. Bestes Beispiel: das Wort Coronapause. Es besteht aus zwei Elementen: Corona und Pause. Beide Wörter gibt es bereits, beide Wörter können auch einzeln in einem Satz verwendet werden. Die Bedeutung ist jedem sofort klar. Es handelt sich um eine Pause, die durch die Coronapandemie verursacht wurde.

Komposita können immer weiter erweitert werden. Aus Coronapause kann ohne Probleme das Wort Coronapausenbaby entstehen. Und daraus wiederum Coronapausenbabyfoto. Allerdings muss so ein Wort auch häufig genug verwendet werden, um zum Wortschatz gezählt zu werden. Da ich mir das Wort Coronapausenbabyfoto gerade ausgedacht habe und bezweifle, dass es jetzt massenhaft verwendet wird, handelt es sich um eine Ad-hoc-Bildung.

Allerdings erlauben nicht alle Sprachen, Wörter mithilfe der Komposition zu bilden. Der Apfelkuchen heißt im Französischen tarte aux pommes.

Sonderfall 1: Reduplikation

Eine besondere Form der Komposition ist die Wortverdopplung (auch: Reduplikation). Durch das Verdoppeln eines Elements eines Wortes entstehen neue Wörter. Aus Uroma kann so Ururoma werden.

Sonderfall 2: Kofferwörter

Wortkreuzungen zeigen, wie kreativ Sprache sein kann. Ob Denglisch, Teuro oder Brunch – diese Begriffe wirken frisch und einprägsam, auch weil sie zwei bereits bestehende Wörter zu einem völlig neuen Ausdruck verschmelzen.

Eine Wortkreuzung entsteht, wenn zwei Wörter miteinander verschmelzen und dabei Teile an der Berührungsstelle weggelassen werden. Dadurch entsteht ein völlig neues Wort, das oft kürzer und griffiger ist als die Ausgangswörter.

Wortkreuzung vs. Komposition: Wo liegt der Unterschied?

Bei der Komposition werden Wörter einfach aneinandergereiht: z. B. Haustür oder Sonnenbrille. Bei einer Wortkreuzung hingegen entsteht durch Verschmelzung ein neues Gebilde.

Beispiel:

  • Denglisch = Deutsch + Englisch (das –utsch aus Deutsch fällt weg)
  • Brunch = Breakfast + Lunch

Wie entstehen Wortkreuzungen?

Bei der Wortkreuzung wird meist ein gemeinsamer Laut oder Buchstabencluster an der „Schweißnaht“ genutzt. So wirken die neuen Begriffe harmonisch, z. B.:

  • Teuro = teuer + Euro (überlappendes „eu“)

Kofferwörter, Schachtelwörter & Portmanteau-Wörter – verschiedene Begriffe für dasselbe Phänomen

Die aus Wortkreuzungen entstehenden Wörter heißen auch Kofferwörter, Schachtelwörter oder Portmanteau-Wörter. Der französische Begriff „Portemanteau“ (wörtlich: „Mantelträger“) verdeutlicht die Idee: Zwei Bedeutungen werden „in einem Wort getragen“.

Derivaition: Bestehende Wörter ableiten

Aus dem Adjektiv schön kann durch Hinzufügen der Endung (auch: Suffix) –heit das Wort Schönheit werden. Es handelt es sich dann um ein Derivat (auch: Ableitung). Den Prozess der Wortbildung, bei dem ein Derivat entsteht, nennt man Derivation. Die Derivation unterscheidet sich von der Komposition dadurch, dass das Element, das hinzugefügt ist, kein freies Morphem, sondern ein gebundenes Morphem ist. Die Endung –heit kann nicht alleine stehen, sondern muss immer an ein bereits bestehendes Wort gebunden werden. Es gibt keine Möglichkeit, die Endung –heit als ein eigenes Wort in einem Satz zu verwenden. Zum Vergleich: Bei dem Wort Coronapause können beide Elemente Corona und Pause auch als unabhängige Wörter verwendet werden.

Andere Elemente, die ein Derivat bilden können, sind Präfixe wie um in Umweg, die vor dem abgeleiteten Wort stehen und Zirkumfixe, die das freie Morphem umschließen: Gewarte. Infixe, die in das Wort eingeschoben werden, gibt es im Deutschen nicht, aber z. B. im Kambodschanischen. Präfixe, Suffixe, Zirkumfixe und Infixe fasst man zusammen als Affixe.

Konversion: Die Wortart wechseln

Eine weitere Möglichkeit, Wörter zu bilden, ist die Konversion. Dabei werden weder Affixe noch freie Morpheme verwendet. Bei der Konversion wird die Wortart gewechselt. Genau das ist der Fall beim Verb sehen, das auch als Substantiv das Sehen verwendet werden kann. Parallel zum Adjektiv hoch existiert das Substantiv Hoch.

Wörter kürzen

Neue Wörter können auch einfach die Kurzform eines langen Wortes sein. Anstelle von Tourist kann man auch das Wort Touri verwenden. Das nennt man Kurzwortbildung.

Zusammenfassung

Der Wortschatz einer Sprache vergrößert sich hauptsächlich durch Lehnwörter, Fremdwörter und manchmal auch durch Neologismen. Häufig sind es aber morphologische Prozesse, die zu neuen Wörtern führen. An erster Stelle stehen die Komposition und Derivation. Aber auch Konversion und Kurzwortbildung kommen vor.

Mehr zu diesem Thema

Werbung – Mein Buch

Mein Buch: „Warum die Wörter im Deutschen so lang sind.“ Es behandelt die Wortbildungsmorphologie des Deutschen.

„Waldblütenbienenhonig“ und „Dieselpartikelfilterreinigung“ – Bandwurmwörter wie diese gibt es viele. Aber warum sind die Wörter im Deutschen so lang? In diesem Buch gehe ich auf unterhaltsame und leicht verständliche Weise dieser Frage nach.

Ab dem 17.01.2022 im Buchhandel erhältlich.

*Affiliate-Link – Wenn du über obigen Button bei Amazon mein Buch bestellst, erhalte ich eine Provision für den Verkauf. Dich kostet es aber keinen Cent extra!

Nächster Beitrag

Wie viele Wörter gibt es?

Der Wortschatz der deutschen Sprache umfasst zwischen 300.000 und 500.000 Wörter. Überraschenderweise ist es aber nicht möglich, genau zu sagen, wie viele Wörter es im Deutschen gibt.

Quellen

„challengen“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/769217/revision/1879215 (Abrufdatum: 29.07.2025)

Methling, R. (2022): Warum die Wörter im Deutschen so lang sind. Dudenverlag

„Muggel“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/713429/revisions/1380643/view (Abrufdatum: 04.06.2022)

„Naturverjüngung“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/769081/revision/1877838 (Abrufdatum: 29.07.2025)

„Pop-Up-Radweg“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/769194/revision/1877951 (Abrufdatum: 29.07.2025)

„Quantencomputing“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/713429/revisions/1380643/view (Abrufdatum: 29.07.2025)

Über den Autor

Dieser Artikel wurde von Ralf Methling geschrieben. Er ist Dozent für Germanistische Linguistik und Fremdsprachendidaktik in den Niederlanden. Auf seinem YouTube-Kanal Linguistik einfach einfach und als Autor von linguistischer Fachliteratur publiziert er über Themen aus der Sprachwissenschaft.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner