Genitivobjekt oder Genitivattribut?

Genitivobjekte und Genitivattribute kann man leicht verwechseln. Sie stehen beide im Genitiv, haben aber eine andere Funktion.

Lernvideo: Genitivobjekt oder Genitivattribut

Direkt zu Beginn ein Beispiel, um das Problem zu verdeutlichen:

„Der Laden des Gemüsehändlers …“.

Handelt es sich bei „des Gemüsehändlers“ um ein Genitivobjekt oder um ein Genitivattribut? Klar ist, sowohl Objekt als auch Attribut stehen im Genitiv. Aber trotzdem sind sie sehr unterschiedlich.

Um den Unterschied zwischen beiden besser verstehen zu können, solltest du schon einen Satz in Satzglieder einteilen und das Prädikat eines Satzes ermitteln können.

Was ist ein Genitivobjekt?

Das Genitivobjekt nennt man auch „Genitivergänzung“ oder „Genitivkomplement“. Es ist ein Objekt, das von einem Verb abhängig ist. Das heißt, das Verb will unbedingt ein Genitivobjekt haben. Anders formuliert: Das Verb ruft den Genitiv hervor. Das nennt man auch „Genitivrektion“.

Um ein Genitivobjekt zu finden, fragt man sozusagen das Verb, ob es eine Ergänzung benötigt. Das merkt man zum Beispiel bei diesem Verb, das noch relativ häufig mit dem Genitiv auftritt: „gedenken“. Wenn man „gedenken“ verwendet, dann muss man vom Gefühl her den Satz mit einem Genitiv erweitern. Zum Beispiel so: „der Opfer gedenken“. Ohne diesen Genitiv ist der Satz nicht vollständig. Der Genitiv ist unbedingt notwendig. Das haben Objekte so an sich.

Nun ist es bei den Genitivobjekten heutzutage etwas schwierig geworden. Durch den Sprachwandel „fühlen“ wir nicht mehr sofort, ob ein Genitiv benötigt wird. Deswegen muss man die Verben im Zweifel kennen und die Verben in einer Liste nachschlagen. Die häufigsten Verben, die noch ein Genitivobjekt benötigen, findest du in diesem Beitrag. In diesen Listen findet man z. B.: „anklagen“ ? Der Mörder wird eines Mordes angeklagt.

Aber! Genitivobjekte sind mittlerweile selten geworden. Die Liste der Verben ist eine geschlossene Gruppe, sie ist nicht mehr produktiv. D. h. es kommen keine weiteren mehr hinzu. Vor allem im letzten Jahrhundert ist die Zahl der Verben stark zurückgegangen. Ende des 19. Jahrhunderts gab es noch ungefähr 160 Verben mit dem Genitiv, heute sind es weniger als 50.

Warum gibt es heute weniger Verben mit Genitiv?

  1. Einige Verben mit dem Genitiv verschwinden aus unserem Sprachgebrauch:
    „Sie hat des Lebens sich entbrochen.“ Das sagt heute keiner mehr.
  2. Einige Verben werden ersetzt: „Er enthielt sich jeglichen Widerstands“, wurde zu „Er verzichtete auf Widerstand.“
  3. Viele Verben werden heute nur noch mit einem Akkusativobjekt verwendet: „…des Schlüssels vergessen“, wurde zu „den Schlüssel vergessen“.
    „seines Freundes entbehren“, wurde zu „sie entbehrt ihren Freund“.
  4. Oder mit Präpositionalphrasen:
    „Der Richter klagte ihn des Diebstahls an“, wurde zu „Der Richter klagte ihn an wegen Diebstahl.“

Nicht nur Verben können Genitivobjekte hervorrufen, auch der von einem prädikativen Adjektiv abhängiger Teil des Satzes kann das:

„Er ist sich seiner Verantwortung bewusst.“

Die Kopula „sein“, verbindet hier ein Prädikativ. Das Adjektiv: „bewusst“ erfordert ein Genitivobjekt: „seiner Verantwortung“.

Das Genitivattribut

Ein Genitivattribut ist eine Nominalphrase, das ein anderes Element näher bestimmt. Ein Genitivattribut ist im Gegensatz um Genitivobjekt kein Satzglied!

„Der Moderator der Radiosendung hat eine angenehme Stimme.“

Du siehst: kein Satzglied, sondern Satzgliedteil!

Wie man das herausfindet? Du kannst die Permutationsprobe anwenden und so prüfen, ob es sich bei „der Radiosendung“ in dem Satz um ein Satzglied handelt.

Generell gilt: Jedes Substantiv kann durch mindestens ein Genitivattribut näher bestimmt werden. Immer!

„das Buch“ ? „das Buch des Mannes

„die Entwicklung“ ? „die Entwicklung des Gesprächs

Unterschied zwischen Genitivobjekt und Genitivattribut

Die Unterschiede zwischen Genitivobjekt und Genitivattribut sind also:

  1. Ein Genitivobjekt ist ein Satzglied, ein Genitivattribut ist kein Satzglied.
  2. Genitivobjekte werden von bestimmten Verben und Adjektiven verlangt, Genitivattribute haben nichts mit Verben zu tun. Sie bestimmen ein Substantiv näher.
  3. Genitivobjekte sind selten geworden, Genitivattribute kommen häufig vor.
Über den Autor
Über den Autor

Ralf Methling ist Dozent für Germanistische Linguistik und Fremdsprachendidaktik in den Niederlanden. Als freiberuflicher Content Creator und Autor schreibt er über Themen aus der Sprachwissenschaft.

Quellen

Ten Cate, A. P., Lodder, H. G., & Kootte, A. (2004). Deutsche Grammatik. Eine kontrastiv deutsch-niederländische Beschreibung für den Frendsprachenerwerb, 2.

Hentschel, E. (2010). Genitivobjekt. In E. Hentschel (Hrsg.), Deutsche Grammatik. Walter de Gruyter.

Peter, K. (2010). Genitivattribut. In E. Hentschel (Hrsg.), Deutsche Grammatik. Walter de Gruyter.

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