Was ist eine Passivumschreibung?

Eine Passivumschreibung (auch: Passiversatzform) umschreibt das Passiv. Sie bildet einen Satz im Aktiv, der aber eine passivische Bedeutung hat. Passivumschreibungen kommen im alltäglichen Sprachgebrauch sehr häufig vor. Aber auch in Texten stehen sie häufig.

Begriff

Passivumschreibung nennt man auch Passiversatzform.

Was ist eine Passivumschreibung?

Mit einer Passivumschreibung bildet man keinen Satz im Passiv, sondern im Aktiv. Allerdings hat dieser aktive Satz eine passivische Bedeutung. Das Passiv wird mit einer Passivumschreibung also nur umschrieben.

Hier ein Beispiel:

(1) „Das Video lässt sich nicht abspielen.“

Dieser Satz bedeutet, dass irgendeine Person, die wir nicht kennen, ein Video abspielen möchte. Doch das funktioniert nicht. Am finiten Verb „lässt“ sehen wir, dass es tatsächlich ein Aktivsatz ist. „Lässt“ steht in der 3. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv. Allerdings erfahren wir nichts über die handelnde Person. In Passivsätzen ist das auch so. Das haben Passivumschreibungen und passive Sätze also gemein.

Bei einem Satz im Passiv und einer Passivumschreibung kennen wir die Person, die handelt, nicht.

Expertenwissen

In einem Aktivsatz steht die handelnde Person im Vordergrund. Diese nennt man auch „das Agens“. Sie führt die Handlung aus oder verursacht ein Ereignis.

Im Passiv tritt die handelnde Person in den Hintergrund. Sie ist in dem Kontext nicht so wichtig. Das Agens wird darum im Passiv oft sogar gar nicht genannt. Es kann eventuell mit „von“ oder „durch“ hinzugefügt werden: „Der Hund lässt sich (von dir) nichts sagen“.

Passivumschreibungen eignen sich, wenn man aus stilistischen Gründen kein Passiv verwenden möchte. Oder wenn man das Passiv schön häufig verwendet hat. Vor allem in der mündlichen Kommunikation treten sie häufig auf, sogar häufiger als das Passiv selbst.

Umschreibung mit Modalverb

Man kann Satz 1 auch umformulieren und daraus tatsächlich einen Passivsatz machen:

(1) „Das Video lässt sich nicht abspielen.“
wird zu:
(2) „Das Video kann nicht abgespielt werden.“

In diesem Passivsatz steht jetzt ein Modalverb: „können“. Jetzt sieht man auch deutlich, dass die beiden Sätze (1 und 2) inhaltlich übereinstimmen: Entweder hat die Person nicht die Fähigkeit, das Video abzuspielen, weil sie nicht weiß, wie das geht, oder es ist einfach nicht möglich, das Video abzuspielen, weil es vielleicht defekt ist. Wenn man beide Sätze miteinander vergleicht, merkt man, dass beide Sätze tatsächlich sehr ähnlich sind:

  • Beide haben eine modale Bedeutung (lässt sich nicht abspielen = kann nicht abgespielt werden)
  • In beiden Sätzen wird die handelnde Person nicht genannt (passivische Bedeutung).

Doch sie unterscheiden sich darin, dass:

  • Satz 1 eine Passivumschreibung mit einem Verb im Aktiv enthält und Satz 2 ein „richtiges“ Passiv (werden + Partizip II).

Passivumschreibung: lassen + Infinitiv

Es gibt verschiedene Passivumschreibungen. Sie lassen sich aber meistens mit einem Modalverb umschreiben. Hier noch einmal der Beispielsatz 1:

PassivumschreibungBeispielModalverb
sich lassen + InfinitivDas Video lässt sich nicht abspielen.können

Wir halten fest: Mit „sich lassen + Infinitiv“ lässt sich ein Satz im Aktiv bilden, der eine passivische Bedeutung hat. Es ist möglich, daraus einen Passivsatz zu bilden, wenn man das Modalverb „können“ verwendet.

Passivumschreibung: sein + zu + Infinitiv

Eine weitere Passivumschreibung ist diese hier:

PassivumschreibungBeispielModalverb
sein + zu + InfinitivDie Steuer ist vor Juni zu erledigen.müssen
Das Problem ist leicht zu lösen.können
Die Sonneneinstrahlung ist nicht zu unterschätzen.dürfen/sollen

Mit „sein + zu + Infinitiv“ lässt sich ebenfalls ein Satz im Aktiv mit passivischer Bedeutung bilden. Diese Passivumschreibung drückt entweder eine Möglichkeit (können), eine Notwendigkeit/einen Auftrag (müssen), oder eine Empfehlung/ein Verbot (dürfen/sollen) aus.

Passivumschreibung: sein + Adjektiv auf -bar oder -lich

Mit „sein“ und einem Adjektiv, das auf „-bar“ oder „-lich“ endet, lässt auch ein passivischer Aktivsatz bilden. Doch Achtung bei Adjektiven auf „-bar“. Nicht immer bilden sie zusammen mit „sein“ eine Passivumschreibung.

PassivumschreibungBeispielModalverb
sein + Adjektiv auf -barDer Prozess ist umkehrbar.können
sein + Adjektiv auf -lichDas ist unverzeihlich!können
Keine Passivumschreibung!Das ist denkbar ungünstig.

Auch hier drückt der Satz eine Möglichkeit oder Fähigkeit aus. Darum auch die Umschreibung mit „können“.

Passivumschreibung: zu + Partizip I

Eine weitere Passivumschreibung bildet man mit „zu“ und einem Partizip I (wohnend, laufend, sprechend …).

PassivumschreibungBeispielModalverb
zu + Partizip IDas ist ein leicht zu reparierender Fehler.können
Das hier sind die zu exportierenden Waren.müssen

„Reparierend“ und „exportierend“ sind Verben im Partizip I. Die Passivumschreibung „zu + Partizip I“ drückt entweder eine Möglichkeit aus: „Der Fehler kann leicht repariert werden.“, oder eine Notwendigkeit: „Die Waren müssen exportiert werden.“

Passivumschreibung: bekommen/kriegen + Partizip II

Es gibt zwei Verben, die auch eine passivische Bedeutung haben, wenn sie mit einem Partizip II (gewohnt, gegessen …) verwendet werden. Allerdings haben sie keine modale Bedeutung. Sie können also nicht mithilfe eines Modalverbs einen Satz im Passiv bilden.

PassivumschreibungBeispielModalverb
bekommen + Partizip IIEr bekommt morgen den Bescheid zugeschickt.
kriegen + Partizip IIWir kriegen morgen einen neuen Staubsauger geliefert.

Die Beispielsätze mit den Passivumschreibungen „bekommen“, „erhalten“ und „kriegen“ können mit einem Passivsatz umschrieben werden:

„Der Bescheid wird ihm zugeschickt.“
„Ein neuer Staubsauger wird morgen geliefert.“

Zusammenfassung

Passivumschreibungen bilden Aktivsätze. Doch diese Aktivsätze haben eine passive Bedeutung. Passivumschreibungen umschreiben also das Passiv. Zudem haben sie eine modale Bedeutung, können also mithilfe eines Modalverbs in einen Passivsatz umgeschrieben werden.

Über den Autor
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Ralf Methling ist Dozent für Germanistische Linguistik und Fremdsprachendidaktik in den Niederlanden. Als freiberuflicher Content Creator und Autor schreibt er über Themen aus der Sprachwissenschaft.

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Quellen

Buscha, A., Szita, S. & Raven, S. (2013). C Grammatik. Übungsgrammatik Deutsch als Fremdsprache. Sprachniveau C1-C2. Leipzig: Schubert-Verlag.

Buscha, A., Szita, S. & Raven, S. (2013). B Grammatik. Übungsgrammatik Deutsch als Fremdsprache. Sprachniveau B1-B2. Leipzig: Schubert-Verlag.

Hall, K., & Scheiner, B. (2018). Übungsgrammatik für die Oberstufe: Deutsch als Fremdsprache. Hueber Verlag.

Perrig, G. (2010). Agens. In E. Hentschel (Hrsg.), Deutsche Grammatik. Walter de Gruyter.

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