Was ist Stottern?

Stottern ist eine Sprachstörung. Stotternde Menschen haben Schwierigkeiten mit dem Sprechrhythmus, Tempo, der Lautstärke, Tonhöhe, aber auch mit Pausen. Leider sind Betroffene oft Opfer von Mobbing und Ausgrenzung. Darum ist es wichtig, Bezugspersonen aufzuklären.

Autoren: Prof. Dr. Jörg Mußmann & Ralf Methling

Begriff

Das Verb „stottern“ wurde im 16. Jh. aus dem niederdeutschen Wort „stotern“ oder „stötern“ abgeleitet. Diese Wörter gehen auf das Wort „stoten“ zurück, was „stoßen“ bedeutet. Gemeint war das wiederholte Anstoßen der Zunge beim Sprechen.

Lernvideo: Was ist Stottern?

Fast jeder kennt Stottern. In Redewendungen spricht man von Motoren, die stottern oder Ratenzahlungen, die man abstottert. Und auch aus Filmkomödien kennt man die Darstellungen stotternder Menschen. Der Film „The King’s Speech“, „Die Rede des Königs“, vom Tom Hooper, thematisiert das Stottern ernsthaft. Aber was hat das Stottern mit Sprache und Linguistik zu tun?

Stottern als Störung der Prosodie

Wenn du meinen Beitrag und mein Video zu Sprachbeeinträchtigungen gesehen hast, dann weißt du, dass es beim Spracherwerb auf allen Sprachebenen zu Verzögerungen und Störungen kommen kann. Auf der Ebene der Laute, auf der Ebene der Bedeutung und zum Beispiel auf der Ebene der Syntax. Eine Ebene wird in Linguistik nicht so häufig betrachtet, gehört aber trotzdem dazu: die Prosodie.

Die Prosodie beschreibt in der Linguistik sogenannte suprasegmentale Strukturmerkmale. Also Merkmale, die „supra“ (über) anderen Strukturen liegen. Darunter fallen Sprechrhythmus, Tempo, Lautstärken, Tonhöhe, aber auch Pausen, die beim Sprechen gemacht werden, oder wenn mit der Sprechmelodie das Ende von dem angegeben wird, das man sagen möchte, sodass sein Gegenüber weiß, dass er weitersprechen kann. So einen Sprecherwechsel nennt man turn-taking. Das Stottern hat genau mit dieser Ebene zu tun, denn es ist eine Sprech- und Redeflussstörung.

Merkmale des Stotterns

Die folgenden Merkmale sind typisch für das Stottern:

  • Wiederholungen (sogenannte Kloni),
  • Dehnungen (sogenannte Prolongationen),
  • Blockierungen (sogenannte Toni) von Lauten, Silben, Wörtern oder auch Phrasen, also Satzteilen,
  • Pausen (Blockaden), die dann wie ein Sprecherwechsel (also das turn-taking) auf sein Gegenüber wirken,
  • Flickwörter (Partikeln wie „äh“),
  • Floskeln („z. B. Weißt schon!“).

Stottern im Gegensatz zu natürlichen Unflüssigkeiten

Viele Menschen, die nicht stottern, kennen diese natürlichen Unflüssigkeiten, denn sie treten auch auf, wenn man z. B. nervös oder unkonzentriert ist. Oft hilft es, wenn man sich zusammenreißt, durchatmet und ruhig weiterspricht. Das kennt ihr vielleicht, wenn ihr bei einem Referat vor Publikum nervös seid. Wenn man dann Tipps gibt, wie „Denk‘ erst einmal nach!“ oder „Hol‘ erst einmal Luft!“ oder, wenn man den Satz einfach für den Stotternden zu Ende spricht, dann schadet das allerdings mehr als es hilft. Es erhöht sogar den Druck auf die Betroffenen, noch flüssiger sprechen zu müssen.

Mann präsentiert etwas vor einer Gruppe. Auch in solchen Situationen stottern manche. Dann handelt es sich aber nicht um eine Sprachstörung.
Wenn man vor einer Gruppe steht, können natürliche Sprechunflüssigkeiten auftreten.

Stottern unterscheidet sich aber nicht nur darin von natürlichen Sprechunflüssigkeiten, sondern auch in Bezug auf die Häufigkeit. Wenn Sprechunflüssigkeiten am Beginn der Entwicklung mehr als sechsmal pro 100 Wörter auftreten, spricht man von beginnendem Stottern, das logopädische Hilfe benötigt.

Begleitsymptome

Neben diesen linguistischen Kernsymptomen können Gesprächspartner auch Begleitsymptome beobachten wie fehlender Blickkontakt, mimische und motorische Mitbewegungen, die Versuche des Betroffenen sind, das Stottern zu überwinden. Die Betroffenen, auch Kinder, haben ein klares Störungsbewusstsein, d. h. sie wissen genau, was los ist. Im Gespräch dann so zu tun, als wäre nichts, kann den Druck dann noch erhöhen. Es ist also wichtig, dass sich Bezugspersonen von stotternden Menschen wie Lehrkräfte besser über dieses Phänomen informieren. Kontaktadressen dafür gibt es am Ende des Beitrags.

Stottern und Mobbing

Kinder und Jugendliche, die stottern, haben ein erhöhtes Risiko, Mobbing im Kindergarten oder in der Schule zu erleben. Erzieher und Lehrkräfte sollten sich also in solchen Fällen gut über das Stottern informieren und können dann helfen und eingreifen, indem sie aufklären und ihre Gesprächsführung anpassen. Auch Selbsthilfevereine helfen dabei.

Hilfe und Beratung bei Stottern

Die Forschungsstelle Sonderpädagogik, Sprache und Inklusion (fossi) der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, mit der zusammen das obige Video und dieser Artikel entstanden ist, informiert gerne zu fachwissenschaftlichen Hintergründen zum Stottern und über Beratungsmöglichkeiten für Lehrkräfte und Eltern: fossi@ph-ooe.at.

Dort wurde auch die „ELsto-Liste“ entwickelt, eine Checkliste mit Empfehlungen für Lehrkräfte stotternder Schülerinnen und Schüler, die du hier findest und bequem auf dem Handy bearbeiten kannst: https://forms.gle/mKmFLsakviD8bbzr8.

Es gibt auch Bilderbücher, sogenannte „Mutmach-Bücher“, die Pädagoginnen und Pädagogen in Kindergärten und Grundschulen einsetzen können, um über das Stottern aufzuklären. Die deutsche Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe e. V. (BVSS) stellt dafür eine Liste bereit.

Zusammenfassung

Stottern ist eine Sprech- und Redeflussstörung, die die Prosodie betrifft. Gut gemeinte Tipps, Hilfe oder, wenn man im Gespräch so tut, als wäre nichts, helfen nicht, sondern erhöhen den Druck sogar. Betroffene brauchen professionelle Hilfe.

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