Bernstein-Hypothese

Der Wissenschaftler Basil Bernstein hat vor ca. 60 Jahren festgestellt, dass die Ober- und Unterschicht einer Gesellschaft anders sprechen. Diese Beobachtung hat schlussendlich zur Bernstein-Hypothese geführt, eine wichtige Annahme über den Sprachgebrauch sozialer Schichten.

Lernvideo: Die Bernstein-Hypothese

Es wäre praktisch, wenn du schon mein Video zur Sapir-Whorf-Hypothese gesehen hast, denn die Gedanken von Bernstein bauen darauf auf.

Elaborierter und restringierter Code

Bernstein stellt fest, dass die Mittel- und Oberschicht einer Gesellschaft anders spricht als die Unterschicht. Sie verwenden jeweils einen anderen Soziolekt. Mit Oberschicht sind die reichen und gut gebildeten Menschen gemeint. Die Unterschicht sind die armen und wenig gebildeten Menschen. Er sagte, dass die Mittel- und Oberschicht einen elaborierten Code verwendet, also eine hoch entwickelte Sprachform, die Unterschicht einen restringierten Code (eine beschränkte Sprachform). Das sind alles ziemlich wertende Begriffe, die so gar nicht mehr in unsere Zeit passen. Es war aber damals auch wirklich wertend gemeint. Die Unterschicht benutzt Sprache, die „defizitär“ ist. Also Sprache, die mangelhaft ist. Der Wortschatz dieser Bevölkerung ist eher klein, sie verwenden überwiegend kurze und grammatisch einfache Sätze, der Schreibstil ist plakativ und es werden häufig Ausrufezeichen verwendet. Der Stil ähnelt dem der Bildzeitung zum Beispiel.

Die Mittel- und Oberschicht dahingegen verwendet einen großen, reichen Wortschatz. Texte und Gesprochenes haben einen logischen, argumentativen Aufbau. Die Sprache ist sehr genau und differenziert.

Kognitive Fähigkeiten

Jetzt kommen wir zum Kern der Bernstein-Hypothese. Die beschränkte Sprache hat laut Bernstein einen Zusammenhang mit den kognitiven Fähigkeiten der Menschen. Das heißt, dass sich die Sprache der Gesellschaftsschichten unterscheide, gerade weil das Denkniveau unterschiedlich sei. Eine andere soziale Struktur dieser bildungsfernen Schicht geht einher mit mangelnden kognitiven Fähigkeiten und sie verwendet darum einen restringierten Code. Die Oberschicht hat besser ausgebildete kognitive Fähigkeiten, andere soziale Strukturen und verwendet darum einen elaborierten Code.

Linguistisches Relativitätsprinzip

Wenn wir jetzt das linguistische Relativitätsprinzip miteinbeziehen (siehe Sapir-Whorf-Hypothese), dann bedeutet das, dass die Unterschicht die Welt um sich herum auch anders wahrnimmt als die Oberschicht, weil sie eine andere Sprachform verwendet.

Sprachlicher Determinismus

Aber viel stärker noch lässt sich die Bernstein-Hypothese mit dem sprachlichen Determinismus in Verbindung setzen. Die Unterschicht kann die Welt um sich herum nur beschränkt wahrnehmen, weil sie durch ihre Sprache „determiniert“, also begrenzt wird.

Wie ich finde, krasse Aussagen, die man heutzutage viel differenzierter darstellen würde. Aber die Hypothese von Bernstein dient als Grundlage für weitere Diskussionen.

Zusammenfassung

Die Bernstein-Hypothese besagt, dass die Ober- und Mittelschicht einer Gesellschaft einen anderen Soziolekt spricht als die Unterschicht. Die Sprache der Unterschicht ist beschränkt (restringiert), die der Mittel- und Oberschicht ist gebildet (elaboriert). Dies steht im Zusammenhang mit den niedrigen kognitiven Fähigkeiten der Unterschicht im Gegensatz zu den hohen kognitiven Fähigkeiten der Mittel- und Oberschicht.

Quellen

STARK-Redaktion, Team. (2019). Abi auf einen Blick! Deutsch Nordrhein Westfalen 2021 (1. Aufl.). München, Deutschland: Stark Verlag GmbH.

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