Das Zirkumfix ist ein sprachwissenschaftlicher Begriff aus der Morphologie, dem Teilgebiet der Linguistik, das sich mit dem Aufbau von Wörtern beschäftigt. Ein Zirkumfix ist eine besondere Form des Affixes – es „umschließt“ die Basis eines Wortes mit zwei Teilen, einem vorne und einem hinten. Dadurch wird entweder ein neues Wort (eine Derivation) oder eine neue Wortform (Flexion) gebildet.
Was ist ein Zirkumfix?
Ein typisches Beispiel aus dem Deutschen ist die Bildung von „Gerede“ aus dem Verb „reden“ mithilfe des Zirkumfixes „ge- + -e“. In diesem Fall entsteht ein neues Wort – also ein sogenanntes Zirkumfixderivat.
Grundbegriffe der Morphologie
Bevor wir tiefer einsteigen, wiederholen wir kurz die wichtigsten Begriffe:
- Affix: Ein gebundenes Morphem, das an ein Basiswort angefügt wird.
- Basis: Der Bestandteil, an den Affixe gehängt werden (z.?B. das Verb „reden“).
- Wurzel: Der kleinste bedeutungstragende Teil eines Wortes (hier „red“).
Diese drei Konzepte sind entscheidend, um zu verstehen, wie ein Zirkumfix funktioniert. Ein passendes Lernvideo zu diesen Begriffen kannst du dir hier ansehen.
Das Zirkumfix als Affix
Unterschied zu Präfix, Suffix und Infix
Ein Affix kann
- vor (Präfix),
- nach (Suffix),
- inmitten (Infix) oder
- um ein Wort (Zirkumfix)
platziert werden. Das Zirkumfix ist dabei besonders, da es sowohl einen Anfangs- als auch einen Endbestandteil besitzt, die gleichzeitig auftreten müssen, um Bedeutung zu erzeugen.
Aufbau eines Zirkumfixes
Ein Zirkumfix besteht aus:
- einem Präfix-ähnlichen Anfangsteil (z.?B. „ge-“)
- einem Suffix-ähnlichen Endteil (z.?B. „-e“)
Beide Bestandteile müssen zusammen auftreten, sonst ergibt das Ergebnis keinen Sinn. Das unterscheidet sie von anderen Affixarten, die allein funktionieren können.
Wie funktioniert ein Zirkumfix?
Ein anschauliches Beispiel:
- Ausgangswort: reden
- Zirkumfix: „ge- + -e“
- Ergebnis: Gerede
Hier entsteht ein neues Wort, kein anderes Verb, sondern ein Substantiv mit neuer Bedeutung. Das ist Zirkumfixderivation, also Wortbildung mithilfe eines Zirkumfixes.
Bedeutung von Zirkumfixderivaten
Zirkumfixderivate verändern die Wortart und Bedeutung. Aus einem Verb wird ein Substantiv – das ist mehr als nur eine grammatische Veränderung. Es handelt sich um neue lexikalische Einheiten, die oft idiomatische oder kontextbezogene Bedeutungen erhalten.
Gebundene grammatische Morpheme
Zirkumfixe sind gebundene Morpheme – sie können nicht selbstständig stehen und haben keine eigene Bedeutung, sondern verändern oder erweitern die Bedeutung der Basis. Deshalb zählen sie zu den grammatischen Morphemen.
Flexionsmorphem vs. Wortbildungsmorphem
Zirkumfixe im Partizip II: „gelegt“
Im Verb „gelegt“ steckt das Zirkumfix „ge- + -t“. Doch hier entsteht keine neue Wortbedeutung, sondern lediglich eine neue grammatikalische Form (Partizip II). Daher handelt es sich hier nicht um ein Wortbildungsmorphem, sondern um ein Flexionsmorphem.
Kontroverse um Zirkumfixe im Deutschen
Einige Linguisten vertreten die Meinung, dass es im Deutschen keine „echten“ Zirkumfixe gibt – sie sehen die Kombinationen eher als lose Folge von Präfix und Suffix. Andere wiederum argumentieren, dass gerade die Kombination und Gleichzeitigkeit der Elemente das Zirkumfix ausmacht. Die Debatte ist also offen.

Zirkumfixe in anderen Sprachen
Zirkumfixe sind nicht nur im Deutschen zu finden. Auch in anderen Sprachen wie Zirkumfixe sind weltweit betrachtet eine eher seltene Erscheinung – insbesondere im Vergleich zu Präfixen oder Suffixen. Dennoch treten sie in zahlreichen, teils sehr unterschiedlichen Sprachfamilien auf. Ein Überblick über verschiedene Grammatiken zeigt, dass Zirkumfixe beispielsweise in afroasiatischen Sprachen wie Amharisch, Arabisch oder Tuareg, aber auch in australischen Sprachen wie Alawa und Worora dokumentiert sind. In der austronesischen Sprachfamilie finden sich Beispiele in Indonesisch, Tagalog und Samoanisch. Weitere beachtenswerte Sprachen mit Zirkumfixbildung sind unter anderem Georgisch (Kaukasisch), Chukchi (Chukotko-Kamtschatkisch), Udmurt (Finno-Ugrisch) und sogar Vertreter des Indoeuropäischen, darunter das Deutsche, Niederländische sowie iranische Sprachen wie Pashto oder Persisch. Auch indigene Sprachen wie Nahuatl (Uto-Aztekisch), Cheyenne (Macro-Algonquin) oder Karok (Hokan) nutzen Zirkumfixe als Teil ihrer grammatikalischen Struktur. Diese breite Verteilung zeigt, dass Zirkumfixe ein faszinierendes und keineswegs auf das Deutsche beschränktes Phänomen der Sprachstruktur sind.
Wissenschaftliche Quelle dieser Informationen
Hall, Christopher J (2000) Prefixation, suffixation and circumfixation. In: Booij, Geert, Lehmann, Christian, Mugdan, Joachim, Kesselheim, Wolfgang, Skopeteas, Stavros (Hrsg.), Morphology. An International Handbook on Inflection and Word Formation. Handbooks of Linguistics and Communication Science (17.1). Berlin: De Gruyter, S. 535–545.
Lernstrategien zum Erkennen von Zirkumfixen
Um Zirkumfixe zu erkennen, hilft es:
- auf gleichzeitige Prä- und Suffixe zu achten
- Wortartveränderungen zu identifizieren
- auf untrennbare Kombinationen zu schauen
Relevanz im Deutschunterricht
Im schulischen Kontext sind Zirkumfixe oft ein komplexes Thema, da sie mehrere grammatische Ebenen verbinden: Morphologie, Wortbildung und Grammatik. Mit anschaulichen Beispielen wie „Gerede“ oder „gelegt“ können Lernende besser verstehen, wie Sprache funktioniert.
Warum Zirkumfixe faszinierend sind
Zirkumfixe zeigen, wie kreativ und flexibel Sprache sein kann. Sie verbinden Form und Funktion, erzeugen neue Bedeutungen und veranschaulichen den dynamischen Charakter grammatischer Strukturen.
Häufige Fehler beim Erkennen von Zirkumfixen
- Verwechslung mit bloßen Präfix-Suffix-Kombinationen
- Annahme, dass jede ge-/-t-Form ein Zirkumfix ist
- Überschätzung der Eigenständigkeit von ge- oder -t
Zirkumfix in der Sprachwissenschaft
Zirkumfixe spielen eine zentrale Rolle in der morphologischen Theorie und werfen Fragen auf wie:
- Wie entstehen komplexe Wortformen?
- Was ist die Grenze zwischen Morphologie und Syntax?
Zukunft von Zirkumfixen im Deutschen
Sprache verändert sich ständig. Ob Zirkumfixe im Deutschen an Bedeutung gewinnen oder verlieren, hängt von Sprachgebrauch, Lehrtraditionen und Forschungsinteressen ab. Ihr Potenzial zur Wortbildung bleibt jedoch bestehen.
Fazit: Das Wichtigste zum Zirkumfix
Ein Zirkumfix ist eine besondere Form des Affixes, die aus zwei Teilen besteht und ein Wort sowohl vorne als auch hinten verändert. Es kann zur grammatischen Flexion oder zur Wortbildung eingesetzt werden. Trotz wissenschaftlicher Diskussionen über seine Eigenständigkeit ist das Zirkumfix ein faszinierendes Beispiel für sprachliche Kreativität und Struktur.
FAQ zu Zirkumfixen
Was ist ein Zirkumfix in einfachen Worten?
Ein Zirkumfix ist ein zweiteiliges Wortanhängsel (ge- … -t), das ein Wort vorne und hinten gleichzeitig verändert.
Ist „gelegt“ ein Beispiel für ein Zirkumfix?
Ja, aber nur in grammatischer Hinsicht – es verändert nicht die Bedeutung, sondern die Zeitform (Partizip II).
Was ist der Unterschied zwischen Zirkumfix und Präfix/Suffix?
Ein Zirkumfix besteht immer aus zwei Teilen, Präfixe und Suffixe stehen allein.
Gibt es Zirkumfixe nur im Deutschen?
Nein, auch andere Sprachen nutzen Zirkumfixe.
Können Zirkumfixe neue Wörter erzeugen?
Ja – etwa „Gerede“ aus „reden“. Das ist ein Zirkumfixderivat.
Ist ein Zirkumfix immer ein Flexionsmorphem?
Nein – es kann auch zur Wortbildung dienen und dann als Wortbildungsmorphem gelten.