Eine Strömung innerhalb der Linguistik ist der amerikanische Strukturalismus. Im Strukturalismus wurde die Phrasenstrukturgrammatik entwickelt, auf der heutzutage viele weitere Modelle aufbauen. In diesem Beitrag zeige ich dir, wie man Syntaxbäume in der Phrasenstrukturgrammatik erstellt.
Als Quelle verwenden (APA)
Methling, R. (2025, 24. Juli). Syntaxbäume erstellen. https://www.linguistik.online. Abgerufen am XX.XX.20XX, von https://linguistik.online/syntaxbaume/
Dieser Artikel wurde am 30.07.2025 von Ralf Methling auf inhaltliche Korrektheit überprüft und aktualisiert.
⚠️ Bemerkung
In der Linguistik gibt es verschiedene Herangehensweisen, um syntaktische Strukturen zu beschreiben. Kein Modell schafft es, alle syntaktischen Strukturen einer Sprache völlig widerspruchsfrei darzustellen. Eine in sich absolut schlüssige Syntaxtheorie gibt es bis heute nicht. Doch mit der Phrasenstrukturgrammatik und der Immediate Constituents Analysis (IC-Analyse) kommt man erstaunlich weit.
Syntaxbäume lieben sie: Konstituenten
Der zentrale Begriff in der Phrasenstrukturgrammatik ist Konstituente. Es ist eine Einheit innerhalb eines Satzes, die zusammengehört.
In der Phrasenstrukturgrammatik (auch: Konstituentenstrukturgrammatik) beginnt man beim Satz und fängt von dort aus an, den Satz zu analysieren. Man teilt ihn dazu in immer kleinere Einheiten. Diese geteilten Einheiten nennt man Konstituenten.

Konstituenten lassen sich verschieben
Im Satz:
- Mein Hobby ist das Erstellen von YouTube-Videos.
scheint es zunächst so, als wären es einzelne Wörter, die aneinandergereiht einen Satz ergeben. Doch es fällt auf, dass man die Wörter nicht beliebig hin- und herschieben kann. Der Satz lässt sich zwar umstellen:
- Das Erstellen von YouTube-Videos ist mein Hobby.
Den Teil das Erstellen von YouTube-Videos kann man also als Ganzes verschieben, wohingegen den folgenden Teil nicht:
- *Erstellen von ist mein Hobby das YouTube-Videos.
Dieser Satz ist ungrammatisch. Bestimmte Wörter sind also eng miteinander verbunden und müssen gemeinsam verschoben werden. Das ist der erste Hinweis darauf, dass es eben keine isolierten Wörter sind. Wörter bilden Konstituenten (zusammenhängende Blöcke).
Konstituenten beeinflussen einander
Wörter stehen nicht nur isoliert, sondern beeinflussen sich zudem auch gegenseitig. Wenn man das Possessivpronomen mein aus dem Beispielsatz Mein Hobby ist das Erstellen von YouTube-Videos in den Plural setzt, dann muss sich auch das Substantiv Hobby in seiner Form anpassen und wird zu meine Hobbys. Zudem verändert auch das Verb ist seine Form und wird zu sind.
Wörter stehen nicht isoliert im Satz, sondern sind miteinander verbunden.
Basis der Syntaxbäume: Die Immediate Constituents Analysis (IC-Analyse)
Zunächst kann man den Satz Mein Hobby ist das Erstellen von YouTube-Videos in sieben Teile teilen. Diese sieben Teile, die in eckigen Klammern stehen, sind sieben einzelne Konstituenten. Auch einzelne Wörter sind Konstituenten.
[Mein] [Hobby] [ist] [das] [Erstellen] [von] [YouTube-Videos]
Einige davon gehören enger zusammen als andere. Zum Beispiel: [Mein Hobby] und [das Erstellen], aber auch [von YouTube-Videos]. Auch das sind Konstituenten.
[[Mein] [Hobby]] [ist] [[das] [Erstellen]] [[von] [YouTube-Videos]]
Und auch aus diese Konstituenten bilden größere Konstituenten wie [das Erstellen von YouTube-Videos].
[[Mein] [Hobby]] [ist] [[[das] [Erstellen]] [[von] [YouTube-Videos]]]
Mit Konstituenten sind also alle Einheiten gemeint, die Teile einer größeren Einheit sind. Sowohl die einzelnen Wörter, die durch Leerzeichen voneinander getrennt werden, sind Konstituenten, als auch die übergeordneten Bausteine.
Der Begriff Konstituente ist ein Oberbegriff, den man weiter unterteilen kann in Unterbegriffe wie Phrase oder Wort. Er sagt nichts weiter aus, als dass etwas eine Einheit ist (aus Buchstaben, Morphemen, Wörtern…).
Konstitute
Die Einheiten, die geteilt werden, nennt man Konstitute, die aber wiederum Konstituenten eines übergeordneten Konstituts sein können. Das Teilen des Satzes in Konstituenten ist dann beendet, wenn die letzte Ebene erreicht ist, die man nicht mehr weiter teilen kann. Man arbeitet eigentlich von oben nach unten und nicht wie im Beispiel hier oben von „unten nach oben“. Man beginnt also beim Satz und nicht bei den Wörtern. Die Konstituenten auf der letzten Ebene nennt man terminale Konstituenten.
Immediate Constituents
Konstituenten, die durch Teilung unmittelbar aus einem Konstitut hervorgehen, sind die unmittelbaren Konstituenten dieses Konstituts. Man nennt sie auch immediate constituents, kurz ICs. Nach genau dieser Bezeichnung (IC) hat das gesamte Verfahren, um einen Satz zu analysieren, seinen Namen bekommen: die Immediate Constituents Analysis, zu Deutsch: IC-Analyse. Die Beziehung zwischen unmittelbaren Konstituenten nennt man Konstruktion.

Der Satz ist die größte Einheit und ist somit keine Konstituente, sondern immer Konstitut. Andererseits sind terminale Konstituenten immer Konstituenten und nie Konstitute, da sie eben nicht mehr weiter geteilt werden können.
Syntaxbäume in der Praxis: Ein einfaches Beispiel
In der IC-Analyse geht man davon aus, dass ein Satz immer zweigeteilt werden kann. In die Subjektsphäre und die Prädikatsphäre. Man kann das in Form eines Baumgraphen darstellen.
Beispiel:
- Der Schauspieler sieht das Publikum.
Anleitung Syntaxbäume erstellen
- Konstitut in unmittelbare Konstituenten teilen
Das Konstitut Der Schauspieler sieht das Publikum. wird zunächst in seine unmittelbaren Konstituenten, also die ICs: Der Schauspieler und sieht das Publikum geteilt.
- Konstituenten weiter aufteilen
Die Konstitute werden weiter aufgeteilt. Der Schauspieler wird in der und Schauspieler geteilt, die auch schon die letzten, also terminalen Konstitute sein können. Warum können? Sind es nicht die terminalen Konstitute? Man könnte sie theoretisch noch weiter einteilen in Morpheme oder sogar Phoneme, aber das ist nicht unser Ziel. Die Wortebene reicht in unserem Fall aus.

Die Konstruktion zwischen den ICs sieht und das Publikum, also die Beziehung zwischen diesen beiden unmittelbaren Konstituenten, nennt man in der traditionellen Grammatik Prädikat-Akkusativobjekt-Relation. Zwischen Schauspieler und das Publikum besteht keine direkte Verbindung, da es sich auch nicht um unmittelbare Konstituenten eines Konstituts handelt. Eine Gemeinsamkeit haben sie aber, sie sind beide in einem Satz eingebettet.
Distributionsklassen – Phrasen
Die Konstituenten werden an den Verzweigungs- bzw. Endstellen der Äste im Baumgraphen, die man Knoten nennt, durch die Angabe der Distributionsklasse gekennzeichnet. Die Äste bilden die jeweiligen syntaktischen Funktionen ab.
Im folgenden Lernvideo erfährst du, was Phrasen sind, wenn du diesen Begriff noch nicht kennst.

Die wichtigsten Distributionsklassen lauten:
- S (für Satz);
- NP für Nominalphrase;
- VP für Verbalphrase;
- PP Präpositionalphrase;
- AP Adjektivphrase;
- VERB für Verb;
- N für Substantiv;
- ADJ Adjektiv;
- ADV Adverb;
- PRÄP Präposition;
- ART Artikel;
- PRON Pronomen.
Wenn man jeden Knoten durch die passende Distributionsklasse ersetzt, entsteht ein Strukturbaum, der nur die Distributionsklassen enthält.


Der Satz erhält die distributionelle Konstituentenbezeichnung S. Der Schauspieler ist eine NP (Nominalphrase), die als terminale Konstituenten einen Artikel und ein Substantiv enthält. Die Verbalphrase enthält das Verb sieht als unmittelbare Konstituente und eine NP im Akkusativ, die abschließend als terminale Konstituenten einen Artikel und ein Substantiv enthält.
Vergleichbare Syntaxbäume
Nach diesem Baumgraphen können jetzt auch Sätze mit der gleichen syntaktischen Struktur gebildet werden. Wie zum Beispiel: Die Friseurin trocknet die Haare oder Der Schüler lernt den Stoff. Aber die Struktur: Die Tüte liegt auf der Lichtung wird mit einer anderen Struktur abgebildet.


An oberster Stelle steht wiederum der Satz, der sich in eine NP und eine VP gliedert. Die NP besteht aus einem Artikel und einem Substantiv Tüte. Die VP gliedert sich in die Konstituenten liegt und auf der Lichtung. Bei auf der Lichtung handelt es sich nicht um eine Nominalphrase, sondern um eine Präpositionalphrase mit den unmittelbaren Konstituenten auf und der Lichtung.
Der Lichtung wiederum ist eine Nominalphrase mit den terminalen Konstituenten der (Artikel) und Lichtung (Substantiv).
Strukturelle Ambiguität – Wenn ein Satz zwei Bedeutungen hat
Besonders praktisch sind Baumgraphen, wenn es um mehrdeutige Strukturen geht. Man sagt dann, dass eine Struktur zwei Lesarten hat oder, dass sie ambig ist.
Beispiel:
- Die Polizei verfolgt den Jugendlichen mit dem Elektroroller.
Dieser Satz hat zwei mögliche Bedeutungen:
- Die Polizei verfolgt den Jugendlichen mit einem Elektroroller.
- Der Jugendliche flüchtet auf einem Elektroroller.

Baumgraphen eignen sich besonders gut, um diesen Bedeutungsunterschied syntaktisch darzustellen.
- Wenn der Elektroroller zu dem flüchtenden Jugendlichen gehört, dann sind die unmittelbaren Konstituenten der Verbalphrase
- verfolgt und
- den Jugendlichen mit dem Elektroroller.
- Wenn allerdings der Elektroroller zur Polizei gehört, dann wird mit dem Elektroroller als selbständiges Satzglied aufgefasst. Die Verbalphrase enthält die drei Konstituenten:
- verfolgt,
- den Jugendlichen und
- die Konstituente mit dem Elektroroller.
Lesart 1

Lesart 2

Warum Syntaxbäume wichtig sind
- Sie zeigen grammatische Abhängigkeiten.
- Sie helfen bei der Analyse von Mehrdeutigkeit.
- Sie sind die Grundlage für viele Bereiche: Computerlinguistik, Sprachdidaktik, Übersetzung.
FAQs zu Syntaxbäumen
Was ist ein Syntaxbaum?
Ein Syntaxbaum visualisiert die innere Struktur eines Satzes anhand der Phrasenstruktur.
Was bedeutet „Konstituente“?
Eine Konstituente ist eine zusammengehörige Einheit in einem Satz (z. B. eine Phrase oder ein einzelnes Wort).
Was ist der Unterschied zwischen Konstituente und Konstitut?
Eine Konstituente ist Teil eines größeren Konstituts. Das Konstitut ist die übergeordnete Einheit.
Was ist eine terminale Konstituente?
Das ist eine Konstituente, die nicht weiter zerlegt werden kann (z. B. ein einzelnes Wort).
Was bedeutet strukturelle Ambiguität?
Das ist die Mehrdeutigkeit eines Satzes durch unterschiedliche mögliche Phrasenstrukturen.
Können Syntaxbäume auch für einzelne Phrasen erstellt werden?
Ja, sie können nicht nur Sätze, sondern auch Phrasen visualisieren (z. B. auf der schönen Wiese).
Quellen
Hentschel, E. (2010). Phrasenstrukturgrammatik. In E. Hentschel (Hrsg.), Deutsche Grammatik. Walter de Gruyter.
Methling, R. (2024). Germanistische Linguistik für Dummies. Wiley-VCH.
Spillmann, H. O. (2000): Einführung in die germanistische Linguistik. Langenscheidt.