Das Adynaton ist ein rhetorisches Stilmittel, das auf der Darstellung absolut unmöglicher Ereignisse basiert. Ziel ist es dabei, mit dem Unmöglichen eine Aussage zu verstärken – vor allem dann, wenn deutlich gemacht werden soll, dass etwas niemals eintreten wird
Begriff

Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen adýnaton und bedeutet „das Schwache, das Unmögliche“. Schon die wörtliche Übersetzung deutet an: Es geht um Sachverhalte, die den Naturgesetzen oder der Realität widersprechen. Heutzutage begegnen Adynata uns in literarischen Texten aller Gattungen sowie im Alltag.
Warum nuthen wir Adynata?
Die Verwendung von Adynata ist ein cleverer rhetorischer Trick. Es ist eine künstlerische Art, eine Aussage zu dramatisieren und ihre endgültige Natur hervorzuheben. Ob in der Poesie, in religiösen Texten oder im alltäglichen Sprachgebrauch – das Adynaton ermöglicht es uns, über die Grenzen des Vorstellbaren hinauszugehen, um das Unumstößliche zu betonen. Es bleibt ein wirksames Mittel, das unsere Sprache reicher und ausdrucksstärker macht.
Unmöglichkeit als Ausdruck des Niemals
Ein Adynaton beschreibt eine Situation, die nie eintreten wird. Das verstärkt die Aussage des Sprechers drastisch. Beispiel:
Ich räume mein Zimmer auf, wenn Toastbrot anfängt zu tanzen.

Adynata vermitteln unmissverständlich: Das wird nie passieren.
Überraschungsmotiv und Naturgesetzbruch
Oft bricht das Adynaton mit Naturgesetzen, kulturellen Normen oder logischen Gesetzen – etwa durch fliegende Tiere oder sprechenden Gegenständen. Es tritt (oft) auf als:
- Oxymoron (z. B. weißer Rabe, warmes Eis): Ein Oxymoron ist ein Ausdruck, der aus zwei sich widersprechenden Begriffen besteht. Diese Widersprüchlichkeit ist jedoch nicht unbedingt physikalisch unmöglich, sondern eher gedanklich oder sprachlich paradox. Jedes Adynaton kann ein Oxymoron enthalten, aber nicht jedes Adynaton ist eines – und nicht jedes Oxymoron ist ein Adynaton.
- Periphrase, die das Wort nie oder niemals indirekt umschreibt (z. B. „Ich helfe dir, wenn der Eiffelturm davonfliegt.“ statt „nie“). Bei einem Adynaton wird als das Wort nie immer „verpackt“ und nicht direkt genannt. Es ist also immer einer Periphrase.
Typische Beispiele für Adynaton
- „Wenn Schweine fliegen.“
- „Wenn Ostern und Weihnachten auf einen Tag fallen.“
- „Eher friert die Hölle zu.“
- „Ich esse einen Besen, wenn das stimmt!“
Diese Redewendungen verwenden unmögliche Szenarien, um die eigene Aussage zu untermauern.

Antike Dichtung: Vergil und die fliegenden Hirsche
Das Adynaton ist keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. Bereits in der Antike wurde es von Dichtern und Rednern genutzt, um die Unabänderlichkeit bestimmter Ereignisse zu bekräftigen. Ein Meisterwerk dieser Stilfigur finden wir beim lateinischen Dichter Vergil in seinen „Bucolica“ (I 59-63). Dort heißt es:
Eher werden darum flinke Hirsche am Himmel weiden,
und die Meere werden die Fische nackt am Strand zurücklassen,
eher wird der Parther aus der Saone oder der Germane aus dem Tigris trinken,
nachdem er sein Gebiet verlassen und das des anderen durchwandert hat,
als dass sein Antlitz aus unserem Herzen schwindet.
Vergil reiht hier gleich drei unglaubliche, ja unmögliche Szenarien aneinander:
- Hirsche, die am Himmel grasen;
- Meere, die ihre Fische am Strand zurücklassen;
- und Parther, die aus dem französischen Fluss Saone trinken, oder Germanen, die den Tigris im Orient erreichen.
All diese Dinge sind fantastisch und absurd. Und doch, so die Aussage, sind sie viel wahrscheinlicher, als dass die Erinnerung an das Antlitz des Geliebten aus dem Herzen verschwindet. Welch eine starke Art, ewige Verbundenheit auszudrücken, findest du nicht auch?
Biblisches Adynaton: Das Gleichnis vom Nadelöhr
Ein weiteres, sehr bekanntes Beispiel für ein Adynaton stammt aus der Bibel: das Gleichnis vom Nadelöhr (auch bekannt als Gleichnis vom Kamel und vom Nadelöhr). Dieses Gleichnis Jesu, das in allen drei synoptischen Evangelien überliefert ist, nutzt ein Adynaton, um die schier unüberwindbare Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit für einen Reichen zu unterstreichen, ins Reich Gottes zu gelangen. Wenn man diese Worte Jesu als Adynaton interpretiert, wird jede Abschwächung der Deutung irrelevant, denn es betont die absolute Unmöglichkeit oder zumindest extreme Schwierigkeit.
Das Kamel und das „Nadelöhr“
Über die Jahrhunderte gab es viele Diskussionen und Interpretationen zu diesem Gleichnis. Eine frühe Vermutung, die heute jedoch allgemein verworfen wird, besagte, dass das „Nadelöhr“ eine enge Gasse oder ein kleines Tor in Jerusalem gewesen sei, durch das ein Kamel nur kniend und ohne allzu viel Gepäck passen konnte. Doch die vorherrschende Meinung in der Forschung ist, dass die Lesart „Kamel“ (κάμηλος) wörtlich zu nehmen ist und das Bild der Unmöglichkeit, ein Kamel durch ein echtes Nadelöhr zu zwängen, beibehalten werden sollte. Gerade diese extreme Vorstellung macht die Adynaton Wirkung so eindringlich.
Abgrenzung: Adynaton, Hyperbel & Periphrase
Stilmittel | Merkmal | Beispiel |
---|---|---|
Adynaton | Unmöglichkeit | „Wenn Fische Fahrrad fahren.“ |
Hyperbel | starke Übertreibung | „Ich warte schon eine Ewigkeit.“ |
Periphrase | Umschreibung | „Das Licht der Nacht“ statt „Mond“ |
Adynaton in der Alltagssprache
Besonders in ironischer oder sarkastischer Redeweise beliebt:
- „Das passiert, wenn Merkel breakdanced.“
- „Ich glaube das, wenn’s in der Hölle schneit.“
Eigene Adynata schreiben
Anleitung
- Überlege dir eine unmögliche Handlung.
- Verwende diese, um eine Aussage zu verstärken.
- Achte auf kreative, neue Bilder – keine Klischees!
Beispiel:
Ich schreibe diesen Roman fertig, wenn Hühner Steuererklärungen machen.
Bedeutung im Unterricht
Didaktische Ansätze
- Analyse antiker & moderner Texte mit Adynata.
- Kreatives Schreiben: Schüler erfinden eigene Beispiele.
- Diskussion über Wirkung und Stilunterschiede.
Zusammenfassung: Merkmale des Adynatons
Merkmal | Beschreibung |
---|---|
Rhetorischer Typ | Stilfigur |
Funktion | Ausdruck völliger Unmöglichkeit |
Wirkung | Verstärkend, emphatisch, bildhaft |
Verwandte Stilmittel | Hyperbel, Periphrase, Oxymoron |
Kontext | Alltag, Literatur, Musik, Rhetorik |
Häufige Fragen (FAQ) zum Adynaton
Was ist der Unterschied zwischen Adynaton und Hyperbel?
Hyperbeln übertreiben stark, aber bleiben möglich. Dahingegen beschreibt ein Adynaton das völlig Unmögliche.
Kann ich Adynaton in wissenschaftlichen Texten verwenden?
Nur mit Vorsicht. In Literatur- oder Sprachwissenschaft ist es okay, sonst lieber vermeiden.
Welche Wirkung hat ein Adynaton?
Es verstärkt eine Aussage drastisch – durch das bildhafte Element bleibt sie lange im Gedächtnis.
Ist Adynaton nur für literarische Texte gedacht?
Nein! Es taucht oft in Redewendungen, Alltagswitz, Popkultur und politischer Rede auf.
Gibt es ein typisches Schema für Adynaton?
Ja: „[Unmöglichkeit], bevor [normale Aussage]“ ? z. B.: „Eher fängt der Fisch an zu bellen, als dass ich das glaube.“
Warum ist Adynaton einprägsam?
Die Kraft der Imagination schafft extreme Bilder, die beim Zuhörer hängenbleiben.
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Was ist ein Morphem?
Wörter sind aus Einheiten aufgebaut, die eine Bedeutung tragen. Diese Einheiten nennt man „Morpheme“.