Vokale entstehen, indem der im Kehlkopf erzeugte Ton durch die Stellung der Artikulationsorgane im Mund- und Nasenraum verändert wird. Vor allem die Zunge und Lippen spielen dabei eine wichtige Rolle. Das Vokalviereck stellt diese Faktoren übersichtlich dar.
Als Quelle verwenden (APA)
Methling, R. (2025, 31. Juli). Was ist das Vokalviereck?. https://www.linguistik.online. Abgerufen am XX.XX.20XX, von https://linguistik.online/vokalviereck/
Dieser Artikel wurde am 01.08.2025 von Ralf Methling auf inhaltliche Korrektheit überprüft und aktualisiert.
Jeder deutsche Vokal trägt vier Merkmale. Drei artikulatorische Merkmale beziehen sich auf die Qualität:
- Zungenstellung (vorne, zentral, hinten),
- Zungenhöhe (hoch, mittel, tief),
- Lippenstellung (gerundet, ungerundet)
und ein Merkmal beschreibt die Quantität:
- Länge (lang, kurz).
Im Vokalviereck können alle vier Merkmale abgelesen werden.
Merkmal 1: Zungenstellung im Vokalviereck
Bei der Aussprache von Vokalen ist der höchste Punkt des Zungenrückens entscheidend. Der Zungenrücken wird Dorsum genannt und Vokale gehören dementsprechend zu den dorsalen Lauten. Der höchste Punkt der Zunge kann weit vorne im Mundraum liegen ([iː] wie in Bibel), weit hinten [uː], oder mittig [ə].


Experiment
Bilde den Laut [iː] wie in Miete und dann direkt daran anschließend den Laut [uː] wie in gut. Du merkst, dass sich der Zungenrücken oben am Palatum (harter Gaumen) nach hinten zum Velum (weicher Gaumen) schiebt. Das ist die horizontale Hauptrichtung der Zunge.
Merkmal 2: Zungenhöhe
Auch auf der vertikalen Ebene unterscheiden sich die Vokale. Wenn sich der Zungenrücken an den Oberkiefer hebt, ist die Zungenhöhe hoch [iː] (Bibel), wenn der Zungenrücken am Unterkiefer anliegt, dann ist die Zungenhöhe tief [aː] (Tag).
Wenn man die Extremlage der Vokale in den vier Ecken betrachtet, die sogenannten Kardinalvokale, entsteht das IPA-Vokalviereck. Vorne oben [i], hinten oben [u], zentral unten [a], hinten unten [ɑ]. Das Vokalviereck ist eine vereinfachte Darstellung des Mundraumes, in dem mit oben, unten, vorne und hinten die Zungenstellung dargestellt ist.

Jeder Vokal kann in dieses Vokalviereck eingetragen werden.


Geschlossene und offene Vokale
Anstatt von „hoch“ und „tief“ zu sprechen, verwenden Linguisten auch die Begriffe „geschlossen“ und „offen“. Logisch, denn der hohe Vokal [iː] ist ein geschlossener Vokal. Der Raum, durch den die Luft strömt, ist geschlossener als beim offenen Vokal [aː]. Zwischen „geschlossen“ und „offen“ liegen „halbgeschlossen“ und „halboffen“. Vorne halbgeschlossen liegt der Vokal [eː] wie in Beet, vorne halboffen der Vokal [ɛ] wie in Henne. Hinten halbgeschlossen wird [oː] wie in Boot gebildet und hinten halboffen [ɔ] wie in offen.
Merkmal 3: Lippenstellung im Vokalviereck

Neben der Zungenstellung spielt die Lippenrundung eine entscheidende Rolle bei der Vokalartikulation. Lippenrundung bedeutet, dass sich die Lippen zu einem Kreis formen und dabei der Mund etwas geschlossen wird. Die Lippenstellung ähnelt einem Kussmund. Die Zunge rückt aus Platzgründen etwas weiter nach hinten.
Ein gerundeter Vokal liegt also immer etwas weiter hinten als sein ungerundetes Gegenstück. Die gerundeten Vokale sind die Laute, die bei einem Pärchen rechts stehen, also weiter hinten im Vokalviereck.
Beispiel:
[iː] ist ungerundet und sein Partner [yː] ist gerundet. Zungenhöhe und Zungenstellung bleiben dabei aber gleich.

Wie in den meisten Sprachen gibt es auch im Deutschen die Pärchen „gerundet/ungerundet“ nur bei den vorderen geschlossenen Vokalen. So ist [iː] (Lied) ungerundet, [yː] (kühl) gerundet, und auch [eː] (Weg) und [øː] (schön). Die hinteren Vokale [u], [o] sind immer gerundet, und haben kein ungerundetes Gegenstück im Deutschen. Dahingegen ist es bei [æ] und [a] genau andersherum. Sie sind ungerundet, ohne gerundetes Gegenstück.
Merkmal 4: Länge der Vokale
Vokale werden im Deutschen lang oder kurz ausgesprochen. Länge notiert man im IPA mit zwei kleinen Dreiecken (ː).
Beispiel:
Das [iː] in Miete wird lang ausgesprochen.
Das [ɪ] in Mitte wird kurz ausgesprochen.
Nasalierte Vokale
Bei den Vokalen, um die es bisher ging, tritt der Luftstrom durch den Mund aus. Der Weg durch die Nasenhöhle ist verschlossen. Durch Senken des Velums (Hintergaumen) kann dieser Weg aber geöffnet werden. Vokale, die mit gesenktem Velum artikuliert werden, heißen nasaliert. Das IPA verwendet [~], um diese Vokale zu kennzeichnen. Solche nasalierten Vokale treten hauptsächlich in Fremdwörtern aus dem Französischen auf. Z. B. Parfum, Teint.
Ein ganz besonderer Vokal: Schwa
Ganz in der Mitte des Vokalvierecks liegt der Vokal Schwa ([ə]). Schwa stammt aus dem Hebräischen und er wird auch „Zentralvokal“ oder „Reduktionsvokal“ genannt. Das Schwa kommt nur in unbetonten Silben, wie in der zweiten Silbe von Rü-be, vor. Ein weiterer Reduktionsvokal ist der Laut [ɐ] wie in der zweiten Silbe von mun-ter.
Schwa wird gebildet, indem man die Zunge weder nach oben noch nach unten oder nach vorn oder hinten aus der Ruhelage bewegt. Er entsteht, wenn man ohne jegliche Anspannung aus einer ganz neutralen Position einen Laut von sich gibt: [ə].
Je weiter ein Vokal im Vokalviereck vom Schwa entfernt ist, desto größer ist die Artikulationsbewegung der Zunge und damit der Muskelaufwand bei seiner Artikulation. Man spricht dann auch von „Gespanntheit“. Das [iː] (ihn) ist gespannt gegenüber [ɪ] (in). [i] ist im Vokalviereck weiter vom Schwa entfernt als der Vokal [ɪ]. Ebenso ist [oː] (Ofen) gespannt gegenüber [ɔ] (offen).
Gespannte und ungespannte Vokale
Die Unterscheidung von gespannten und ungespannten Vokalen ist für das Deutsche nicht relevant. Wenn ein gespannter Vokal betont ist, dann wird er als Langvokal artikuliert: z. B. [oː] in Ofen, [eː] in edel, [uː] in Buche, [iː] in Biene. Er wird also immer lang ausgesprochen. Ist ein ungespannter Vokal betont, wird er kurz gesprochen, z. B. [ɔ] in offen, [ɛ] in Henne, [ʊ] in Mutter, [ɪ] in Rinne. Gespannt bedeutet im Deutschen also automatisch auch lang, und ungespannt bedeutet automatisch kurz.
FAQ: Vokalviereck in der Phonetik
Was ist das Vokalviereck?
Das Vokalviereck ist ein schematisches Modell, mit dem die Positionen von Vokalen im Artikulationsraum dargestellt werden. Es basiert auf der Zungenhöhe (hoch, mittel, tief) und der Zungenlage (vorne, zentral, hinten).
Warum wird das Vokalviereck verwendet?
Es dient der phonetischen Visualisierung und erleichtert das Verständnis, wie Vokale gebildet werden. So können Phonetiker, Sprachwissenschaftler und Sprachlernende die Aussprache systematisch einordnen.
Wie sind die Achsen des Vokalvierecks aufgebaut?
Die vertikale Achse zeigt die Zungenhöhe (geschlossen – halbgeschlossen – offen), während die horizontale Achse die Zungenlage (vorn – zentral – hinten) darstellt.
Welche Vokale werden im Vokalviereck dargestellt?
Alle Monophthonge (reine Vokale) können darin eingetragen werden. Diphthonge werden meist nicht direkt dargestellt, da sie gleitende Vokalverbindungen sind.
Gibt es Unterschiede zwischen Sprachen im Vokalviereck?
Ja, jede Sprache nutzt nur einen Teil des möglichen Vokalraums. Zum Beispiel hat Deutsch andere Vokalphoneme als Englisch oder Französisch, wodurch sich die Positionen im Vokalviereck unterscheiden.
Was bedeutet „geschlossen“ und „offen“ bei Vokalen?
„Geschlossen“ bedeutet, dass die Zunge beim Sprechen hoch im Mundraum positioniert ist (z. B. [i] wie in ihn). „Offen“ bedeutet, dass die Zunge tief im Mund liegt (z. B. [a] wie in alle).
Warum ist das Vokalviereck wichtig für die Sprachwissenschaft?
Es ist ein zentrales Hilfsmittel, um Vokale systematisch zu beschreiben und zu vergleichen. Es wird in der Linguistik, Sprachdidaktik und Logopädie verwendet.
Kann man mit dem Vokalviereck die Aussprache verbessern?
Ja, besonders in der Sprachtherapie und beim Erlernen von Fremdsprachen hilft es, die Artikulationsstellen bewusst zu machen und gezielt zu trainieren.
Quellen
Eisenberg, P. (2009). Das Phonem und Graphem. In: Dudenredaktion (Hrsg.): Duden. Die Grammatik (8. überarbeitete Aufl., S. 19 – 56). Mannheim/Wien/Zürich: Dudenverlag.
Methling, R. (2024). Germanistische Linguistik für Dummies. Wiley-VCH.
Spillmann, H. O. (2000): Einführung in die germanistische Linguistik. Langenscheidt.
Šileikaitė-kaishauri, D. (2015). Einführung in die Phonetik und Phonologie des Deutschen.
Hall, T. (2000). Alan: Phonologie. Eine Einführung.