Wie fing Sprache an?

Mit der Frage „Wie fing Sprache an?“ begeben wir uns auf die Suche nach dem Ursprung von Sprache. Was gar nicht so einfach ist, denn dafür müssen wir uns eher anschauen, wie sich der Mensch im Laufe der Zeit entwickelt hat, sodass wir erlernten, Sprache zu benutzen, anders als unsere engen Verwandten, den Schimpansen und die Bonobos.

Lernvideo: Wie fing Sprache an?

Alle heutigen Sprachen haben sehr viele Wörter. Man kann sie einsetzen, um mit ihrer Hilfe über alles zu reden. Wenn wir uns die ersten schriftlichen Überlieferungen anschauen (diese sind ungefähr 5000 Jahre alt) merken wir, dass sich Sprache in diesem Zeitraum nicht großartig verändert hat. Sprachen entwickeln sich viel langsamer, allmählich im Laufe der Zeit, manchmal aufgrund von Veränderungen in Kultur und Mode, manchmal im Kontakt mit anderen Sprachen. Aber die Basis, die Architektur und Ausdruckskraft von Sprache, ist über diesen Zeitraum gleich geblieben.

Wie ist Sprache entstanden?

Trotzdem bleibt die Frage, wie alles begann. Klar, es kann nicht so gewesen sein, dass sich ein paar Höhlenmenschen zusammengetan haben und entschlossen haben, eine Sprache zu entwickeln. Dafür hätten sie ja Sprache gebraucht. Intuitiv kann man spekulieren, dass unsere menschlichen Vorfahren mit Grunzen, Johlen und Aufschreien angefangen haben und sich daraus langsam, eine Art Sprache entwickelt hat. Solche Überlegungen in der Linguistik wurden vor 150 Jahren so wild, dass die Französische Akademie im Jahre 1866 Artikel zum Ursprung der Sprache verbot. Das Problem liegt darin, dass man davon ausgeht, dass sich Sprache eben „langsam“ und „allmählich“ entwickelt hat. Schimpansen können auch grunzen, johlen und aufschreien. Ihre Kommunikation unterscheidet sich aber von unserer. Was passierte also so ungefähr vor 6 Millionen Jahren, also sich die menschlichen Vorfahren anders entwickelten als die Schimpansen? Und wann erhielt die menschliche Sprache die Eigenschaften, die die heutigen modernen Sprachen haben?

Das Problem bei der Erforschung dieser zwei Fragen ist, dass es fast keine Anhaltspunkte gibt, da es keine Fossile von gesprochener Sprache gibt. Geschrieben wurde, wie ich schon gesagt hatte, eigentlich erst „vor Kurzem“, wenn man das geschichtlich betrachtet. Fossile von Schädeln geben uns nur Hinweise über die Form und Größe der Gehirne unserer Vorfahren, sie sagen nichts darüber aus, wozu die Gehirne imstande waren.

Der Sprechapparat als Beweis

Die einzige Überlieferung, die wir haben, ist die Form des Sprechapparates. Also Mund, Nase und Rachen. Erst seit 100.000 Jahren ist es anatomisch überhaupt möglich, Sprache, wie der moderne Mensch, zu produzieren. Die Form des Sprechapparates der menschlichen Vorfahren konnte diese Laute, die wir heute kennen, nicht produzieren. Aber dadurch können wir immer noch nicht ausschließen, dass Sprache nicht schon vor 100.000 Jahren begann. Sie hätten ja einfach mit weniger Konsonanten und Vokalen sprechen können. Die Veränderungen am Sprechapparat könnte nur den Effekt gehabt haben, dass Sprache schneller und ausdrucksstärker produziert werden konnte. Zudem gibt es Wissenschaftler, die die These aufgestellt haben, dass Sprache als Zeichensprache anfing und erst später „mündlich“ wurde. Die Gesten, die wir heute noch beim Sprechen machen, könnten die Überreste einer solchen frühen Kommunikation sein.

Sprache als Mutation

Hat sich Sprache überhaupt „allmählich“ entwickelt? Sie könnte auch aufgrund einer großen Mutation im Erbgut relativ plötzlich entstanden sein, woraufhin das menschliche Gehirn auf einmal komplexe Bedeutungen durch Kombinationen von Lauten ausdrücken konnte. Andere Wissenschaftler halten dagegen, dass sich Sprache in Stufen entwickelt hat, vielleicht im Laufe von Millionen von Jahren. Die Theorie hierzu lautet folgendermaßen. In einem frühen Stadium wurden einzelne Laute verwendet, um viele verschiedene Objekte und Tätigkeiten in der Umwelt zu benennen. Individuen haben dann angefangen, neue Wörter für neue Dinge zu erfinden. Um einen immer größeren Wortschatz zu erreichen, war es von Vorteil, Laute miteinander verbinden zu können, Konsonanten und Vokale, im Gegensatz zu einzelnen Lauten. Dafür war es wiederum nötig, dass es eine Anpassung im Gehirn gibt, um den Sprechapparat zu steuern und möglich zu machen, dass das Gehirn gesprochene Laute verarbeiten kann. Diese zwei Veränderungen würden schon ausreichen, dass sich ein System entwickelt, das komplexer ist als das System der Schimpansen, aber immer noch stark abweicht von unserem heutigen Kommunikationssystem.

Ein dritter Schritt könnte die Fähigkeit gewesen sein, Wörter aneinanderzureihen, um eine Botschaft zu erschaffen. Immer noch nicht komplex, eher rudimentär wie „Ich Tarzan, du Jane“, aber immerhin eine Verbesserung zu „Einwortausdrücken“. Einen Hinweis darauf könnte man in der Sprache von zwei Jahre alten Kindern sehen, die versuchen, einzelne Wörter aneinanderzureihen. Die sogenannte „Zweiwortphase“. Aber auch Fremdsprachenlerner und Pidgins (das sind Sprachen, die entstehen, wenn erwachsene Sprecher zweier unterschiedlicher Sprachen aufeinandertreffen, keine gemeinsame Sprache sprechen und versuchen miteinander zu kommunizieren, um z. B. zu handeln) deuten darauf hin. Sind diese drei Hinweise: Sprachentwicklung der Kinder, das Fremdsprachenlernen und Pidgins, Überbleibsel und somit versteckte Hinweise darauf, wie Sprache entstand? Tief versteckt im Gehirn, überlagert von unserem heutigen modernen Kommunikationssystem?

Wann ist Sprache entstanden?

O.K., aber wann soll diese Entwicklung stattgefunden haben? Wir wissen, dass etwas Gravierendes vor etwa 100.000 bis 50.000 Jahren stattgefunden hat. Ab dann sind kulturelle Gegenstände überliefert, Beweis für das, was wir „Zivilisation“ nennen. Wurden die Menschen einfach intelligenter? Oder entwickelten sie doch auf einmal Sprache? Wurden sie intelligenter aufgrund der sprachlichen Herausforderungen, z. B. weil sie geschichtliches Wissen überliefern wollten? Im Moment wissen wir auch das nicht genau.

Du merkst, die Frage nach dem Ursprung der Sprache ist äußerst kontrovers und wird bis heute von vielen Linguisten, Psychologen und Biologen erforscht. Und niemand weiß, ob wir überhaupt jemals eine Antwort darauf finden werden.

Aktuelle Sprachursprungsforschung

Kommen wir jetzt aber noch zu aktueller Forschung, die mithilfe der Genetik ausgeführt wird. Einen spannenden Hinweis liefert eine Mutation eines Gens, das FOXP2-Gen. Es scheint einen Einfluss auf die Komplexität von Sprache zu haben und es kontrolliert auch Gesicht und Mund. Dieses Gen ist eine leicht angepasste Version eines Gens, das in Affen gefunden wurde, und es scheint so zu sein, dass es seine heutige Form vor zwischen 200.000 und 100.000 Jahren erreicht hat. Es ist sehr verführerisch zu sagen, dass das FOXP2-Gen das Sprachgen ist, aber das wäre viel zu vereinfacht. Viele Fragen bleiben offen, denn wir wissen noch zu wenig über dieses Gen. Wenn wir jemals herausfinden möchten, wie Sprache entstand, scheint die Suche nach Beweisen im menschlichen Erbgut am vielversprechendsten. Die Herausforderung in der Zukunft wird sein, dieses zu entschlüsseln.

Quellen

Jackendoff, R. (2006). How did language begin. Linguistic Society of America8, 16.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner