Vokale entstehen, indem der Ton, der im Kehlkopf erzeugt wird, durch die Stellung der Artikulationsorgane im Mund- und Nasenraum stark verändert wird. Vor allem die Zunge spielt dabei eine wichtige Rolle. Aber auch die Lippenstellung. All diese Faktoren sind im Vokalviereck verarbeitet.
Für die Beschreibung der deutschen Vokale sind 4 artikulatorische Merkmale relevant. Nämlich:
Qualität:
- Zungenstellung (vorne, zentral, hinten)
- Zungenhöhe (hoch, mittel, tief)
- Lippenstellung (gerundet, ungerundet)
und
- Quantität (lang, kurz).
Im Vokalviereck sind alle vier Merkmale verarbeitet.
Zungenstellung im Vokalviereck
Wie man es lesen muss? Dafür fangen wir mit der Zungenstellung an:
Entscheidend ist der höchste Punkt des Zungenrückens bei der Aussprache, darum gehören Vokale auch zu den dorsalen Lauten. Der höchste Punkt kann ganz weit vorne im Mundraum sein, [i:] wie in „Bibel“, oder auch ganz weit hinten [u:]. Probiere das einmal aus. Bilde den Laut [i:] und dann direkt daran anschließend den Laut [u:] wie in „gut“. Du merkst, dass sich der Zungenrücken ganz oben am Palatum etwas nach hinten zum Velum schiebt. Das ist die horizontale Hauptrichtung der Zunge.
Auch auf der vertikalen Ebene, also von oben nach unten, unterscheiden sich die Vokale. Wenn sich der Zungenrücken gegen den Oberkiefer hebt, ist die Zungenhöhe hoch [i:] „Bibel“, wenn der Zungenrücken am Unterkiefer anliegt, dann ist die Zungenhöhe tief [a:] wie in „Tag“. Das [a:] liegt aber nicht mehr weit vorne, sondern eher zentral unten im Mundraum. Wenn man jetzt also die Extremlage der Vokale in den vier Ecken betrachtet, die sogenannten Kardinalvokale, sieht man das IPA-Vokalviereck. Vorne oben [i], zentral unten [a], hinten unten [?] und hinten oben [u]. Das Vokalviereck ist sozusagen eine vereinfachte Darstellung des Mundraumes, in dem mit oben, unten, vorne und hinten die Zungenstellung angegeben ist. Jeder überhaupt denkbare Vokal kann mit diesem Vokalviereck dargestellt werden.
Anstatt von „hoch“ und „tief“ zu sprechen, sagt man auch „geschlossen“ oder „offen“. Und das ist auch ziemlich logisch, denn der hohe Vokal [i:] ist ein geschlossener Vokal, da der Kanal, durch den die Luft strömt, geschlossener ist als beim Laut [a:], ein offener Vokal. Zwischen „geschlossen“ und „offen“ liegen „halbgeschlossen“ und „halboffen“. Vorne halbgeschlossen ist der Vokal [e:] wie in „Beet“, vorne halboffen der Vokal [?] wie in „Henne“. Hinten halbgeschlossen [o:] wie in „Boot“, hinten halboffen [?] wie in „offen“.
Lippenstellung im Vokalviereck
Neben der Zungenstellung spielt die Lippenrundung die entscheidende Rolle bei der Vokalartikulation. Lippenrundung bedeutet, dass sich die Lippen zu einem Kreis formen und dabei der Mund etwas geschlossen wird. Dabei rückt auch die Zunge automatisch etwas weiter nach hinten, und ein gerundeter Vokal liegt immer etwas weiter hinten als sein ungerundetes Gegenstück. Es ist einfach weniger Platz für die Zunge vorhanden, wenn die Lippen gerundet werden. Deshalb sind im Vokalviereck die gerundeten Vokale die Laute, die bei einem Pärchen rechts stehen, also weiter hinten. Ein Beispiel: [i?] ist ungerundet und sein Partner [y?] ist gerundet. Zungenhöhe und Zungenstellung bleiben dabei aber gleich.
Wie in den meisten Sprachen gibt es die Pärchen „gerundet/ungerundet“ auch im Deutschen nur bei den vorderen geschlossenen Vokalen. So ist [i?] („Lied“) ungerundet, [y?] („kühl“) gerundet, und auch [e:] („Weg“) und [ø?] („schön“). Die hinteren Vokale [u], [o] sind immer gerundet, haben aber kein ungerundetes Gegenstück (zumindest im Deutschen). Dagegen ist es bei [æ] und [a] genau andersherum. Sie sind ungerundet, ohne gerundetes Gegenstück.
Nasalierte Vokale
Bei den Vokalen, die ich bis hierhin beschrieben habe, tritt der Luftstrom durch den Mund aus. Der Weg durch die Nasenhöhle ist verschlossen. Durch Senken des Velums (Hintergaumen) kann dieser Weg aber geöffnet werden. Vokale, die mit gesenktem Velum artikuliert werden, heißen nasaliert. Das IPA verwendet ein „~“, um diese Vokale zu kennzeichnen. Solche nasalierten Vokale treten aber hauptsächlich in Fremdwörtern aus dem Französischen auf. Z. B. „Parfum“, „Teint“.
Schwa
Ganz in der Mitte des Vokalvierecks liegt der Vokal „Schwa“ (= [?]). Schwa stammt aus dem Hebräischen und er wird auch „Zentralvokal“ oder „Reduktionsvokal“ genannt. Das Schwa kommt nur in unbetonten Silben, wie in der zweiten Silbe von „Rübe“, vor. Ein weiterer Reduktionsvokal ist übrigens der Laut [?] wie in der zweiten Silbe von „munter.“
Schwa wird gebildet, indem man die Zunge weder nach oben noch nach unten oder nach vorn oder hinten aus der Ruhelage bewegt. Er entsteht, wenn man ohne jegliche Anspannung aus einer ganz neutralen Position einen Laut von sich gibt: [?]. Je weiter ein Vokal im Vokalviereck von Schwa entfernt ist, desto größer ist die Artikulationsbewegung der Zunge und damit der Muskelaufwand bei seiner Artikulation. Man spricht dann auch von „Gespanntheit“. Das [i?] („ihn“) ist gespannt gegenüber [i] („in“). Oder auch das [o?] („Ofen“) ist gespannt gegenüber [?] („offen“).
Gespannte und ungespannte Vokale
Die Unterscheidung von gespannten und ungespannten Vokalen ist für das Deutsche aber nicht wirklich relevant. Wenn ein gespannter Vokal betont ist, dann wird er als Langvokal artikuliert, z. B. [o?] in „Ofen“, [e?] in „edel“, [u?] in „Buche“, [i?] in „Biene“, also er wird lang ausgesprochen. Ist ein ungespannter Vokal betont, wird er kurz ausgesprochen, z. B. [?] in „offen“, [?] in „Henne“, [?] in „Mutter“, [?] in „Rinne“. Gespannt bedeutet im Deutschen also automatisch auch lang, und ungespannt bedeutet automatisch kurz. Länge, die man im IPA mit einem Doppelpunkt angibt (genau genommen mit zwei kleinen Dreiecken), müsste deshalb in der Lautschrift nicht unbedingt notiert werden. Der Deutlichkeit halber wird dies aber trotzdem gemacht.
Quellen
Eisenberg, P. (2009). Das Phonem und Graphem. In: Dudenredaktion (Hrsg.): Duden. Die Grammatik (8. überarbeitete Aufl., S. 19 – 56). Mannheim/Wien/Zürich: Dudenverlag.
Spillmann, H. O. (2000): Einführung in die germanistische Linguistik. Langenscheidt.
Šileikait?-kaishauri, D. (2015). Einführung in die Phonetik und Phonologie des Deutschen.
Hall, T. (2000). Alan: Phonologie. Eine Einführung.