Kennst du das Wort Marschall? Wahrscheinlich denkst du dabei sofort an einen hohen militärischen Dienstgrad, einen angesehenen Feldherrn. Und damit liegst du im heutigen Sprachgebrauch natürlich völlig richtig! Doch die Geschichte dieses Wortes ist viel, viel älter und verblüffender, als du vielleicht vermuten würdest. Begib dich mit uns auf eine kleine Zeitreise in die Sprachgeschichte, um die wahre, ursprüngliche Bedeutung zu lüften!
Der Marschall – Ein altes Kompositum
Was auf den ersten Blick wie ein ganz normales, einzelnes Wort aussieht, birgt in sich eine spannende Überraschung: Marschall ist, etymologisch betrachtet, ein sogenanntes Kompositum – ein zusammengesetztes Wort. Stell dir vor, es besteht aus zwei ursprünglich eigenständigen Wörtern, die sich im Laufe der Zeit zu einer Einheit verbanden.
Um das Geheimnis zu lüften, müssen wir weit in die Vergangenheit blicken, genauer gesagt ins Althochdeutsche. Dort finden wir die Wurzeln des Wortes in der Form marahscalc. Hier siehst du die beiden Ursprungsbestandteile schon viel deutlicher vor dir: marah und scalc.
Was steckt hinter „marah“? Das Pferd!
Fangen wir mit dem ersten Teil an: marah. Wenn du dich fragst, was das bedeuten könnte, dann verrate ich dir: Es hat etwas mit Tieren zu tun, genauer gesagt mit Pferden! Schauen wir uns dazu einige verwandte Wörter in anderen germanischen Sprachen an, um das Bild zu vervollständigen:
- Im Altenglischen gab es das Wort mearh, was ebenfalls ‚Pferd‘ oder ‚Ross‘ bedeutete.
- Im Altnordischen finden wir den Bestandteil marr mit der Bedeutung ‚Pferd‘ oder ‚Ross‘.
Auch heute noch können wir diese Verwandtschaft erkennen! Im Englischen existiert das Wort mare, das ‚Stute‘ bedeutet und somit die weibliche Entsprechung zum einstigen mearh darstellt. Und im Isländischen, das eng mit dem Altnordischen verwandt ist, gibt es meri, was ebenfalls ‚Stute‘ meint.
Und im Deutschen? Aus dem althochdeutschen meriha, das die Stute bezeichnete, entwickelte sich unsere heutige Mähre. Spannend, oder? Denn heute verwenden wir „Mähre“ meist für ein altes, nicht mehr so schönes oder leistungsfähiges Pferd. Ursprünglich war es aber einfach das Wort für eine Stute. Du siehst also: Der Bestandteil marah steht ganz klar für das Pferd, das Ross, sozusagen die männliche Entsprechung zur einstigen meriha.
Was bedeutet „scalc“? Der Diener!
Kommen wir nun zum zweiten, ebenso wichtigen Bestandteil: scalc. Auch dieser Teil des Wortes ist in anderen germanischen Sprachen gut belegt. Im Altenglischen finden wir scealc und im Altnordischen skalkr.
Die ursprüngliche Bedeutung von scalc ist eindeutig: Es meint ‚Diener‘ oder ‚Knecht‘. Es konnte aber auch breiter gefasst werden und einfach ‚Mann‘, ‚Matrose‘ oder ‚Soldat‘ bedeuten. Im Isländischen gibt es heute noch das Wort skálkur, das sich in seiner Bedeutung verschoben hat und ‚Schurke‘ oder ‚Schelm‘ meint. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich die Bedeutung von Wörtern über die Jahrhunderte wandeln kann.
Und im Deutschen? Aus dem alten scalc wurde unser heutiges Wort Schalk. Ja, richtig gehört! Der Schalk, den wir heute als jemanden kennen, der gerne Streiche spielt oder Schabernack treibt – ein Schelm eben. Auch hier hat sich die Bedeutung vom ursprünglichen ‚Diener‘ oder ‚Knecht‘ deutlich gewandelt, aber die sprachliche Verwandtschaft ist unverkennbar.
Vom Pferdeknecht zum Befehlshaber: Die überraschende Entwicklung des Marschalls
Jetzt, wo wir die Einzelteile kennen, können wir sie zusammensetzen. Aus marahscalc wird also der „Pferdediener“ oder „Pferdeknecht“. Stell dir vor: Der Marschall war ursprünglich derjenige, der sich um die Pferde kümmerte, der Aufseher über die Reittiere in einem Hof oder einer Armee.
Faszinierend, oder? Laut dem DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) war der Marschall (althochdeutsch marahscalc) ursprünglich der ‚Pferdeknecht‘ oder ‚Stallmeister‘. Seine Aufgabe war es, die Pferde zu versorgen und zu beaufsichtigen. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied zum heutigen Verständnis!
Der Aufstieg: Vom Hof und Heer
Doch wie kam es zu dieser gewaltigen Karriereentwicklung? Wie wurde aus einem Stallknecht ein hochrangiger Militärführer? Die Bedeutung des Wortes wanderte und wandelte sich im Laufe der Zeit. Im Mittelhochdeutschen sah man den Marschall (mhd. marschalc) nicht mehr nur als reinen Pferdepfleger. Seine Aufgaben weiteten sich aus:
- Er wurde zum Aufseher über das gesamte Gesinde, besonders auf Reisen und bei Heereszügen. Das bedeutete, er war nicht nur für die Pferde zuständig, sondern für alle Personen, die mitreisten, und deren Logistik.
- Von dieser Position aus war es nur noch ein kleiner Schritt zum militärischen Befehlshaber. Er organisierte die Kavallerie und später ganze Truppenteile.
Das DWDS bestätigt, dass der Marschall im Mittelalter der Vorsteher des Marstalls war, der später zum Aufseher über das Gesinde auf Reisen und Heereszügen, und schließlich zum militärischen Befehlshaber wurde. Man kann also sagen, dass sich sein „Jobprofil“ enorm ausgedehnt hat – vom einfachen Stallmeister zu einem bedeutenden höfischen Beamten und schließlich zum Inhaber des höchsten militärischen Ranges in vielen Armeen!
Es ist wirklich erstaunlich, wie sich die Bedeutung von Wörtern im Laufe der Jahrhunderte verschieben kann, oder? Der Marschall ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Begriff von einer sehr spezifischen, eher niederen Tätigkeit zu einem Symbol für höchste militärische Autorität aufsteigen kann. Wenn du das nächste Mal das Wort Marschall hörst, denkst du vielleicht nicht mehr nur an einen General, sondern auch an den fleißigen Pferdeknecht, der am Anfang dieser spannenden Reise stand.
Quellen
- umbigrabanti. (2025, 9. July). Was „Marschall“ wirklich bedeutet (Herkunft erklärt) [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=6igTl0EnIrk
- Wikipedia. (04.08.2025). Marschall. In Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/wiki/Marschall
- DWDS. (04.08.2025). Marschall. In Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. https://www.dwds.de/wb/Marschall