Die Dependenzgrammatik beschreibt die Beziehung zwischen Wörtern in einem Satz, bei der ein Wort „wichtiger“ ist als ein anderes. Das wichtigere Wort nennt man Kopf (engl. head), und das abhängige Wort nennt man Dependent. Der Kopf gibt vor, wie die gesamte Wortgruppe funktioniert, während der Dependent nur zusätzliche Informationen liefert.
Beispiele:
- In frecher Zwerg ist Zwerg der Kopf. Frecher beschreibt nur, wie der Zwerg ist.
- Im Satz Ludwig fuhr den Wagen ist fuhr der Kopf. Es ist das Verb und bestimmt, wie die anderen Satzteile (Subjekt, Objekt) eingebunden werden.
So kann man sagen: Dependenz beschreibt, welches Wort in einer Wortgruppe die Kontrolle hat.
Dependenz vs. Gleichberechtigung (Soziation)
Nicht alle Wörter im Satz haben so eine Hierarchie. In gleichberechtigten Beziehungen sind alle Teile auf derselben Ebene. Das nennt man Soziation (Tesnière spricht auch von Junktion).
Beispiele:
- Soziation: Iller, Lech, Isar und Inn fließen in die Donau. → Die Flussnamen sind gleichberechtigt, keiner dominiert.
- Dependenz: frecher Zwerg → Zwerg ist der Chef, frecher hängt von ihm ab.
Soziation = Gleichrangig.
Dependenz = Hierarchisch, einer bestimmt über den anderen.
Woher kommt die Idee der Dependenzgrammatik?
Das Konzept stammt von Lucien Tesnière, einem französischen Linguisten. Er veröffentlichte 1959 sein Werk Éléments de syntaxe structurale und erklärte darin:
- Ein Satz ist nicht einfach nur eine Reihe von Wörtern, sondern ein Netzwerk von Abhängigkeiten.
- Das Verb ist in der Regel der Mittelpunkt eines Satzes und steuert die anderen Teile. Viele Dependenztheorien übernehmen diese Sichtweise, manche variieren sie.
- Beziehungen zwischen Wörtern lassen sich am besten als Abhängigkeiten darstellen, nicht nur als große Baumeinheiten (wie in der Konstituenzgrammatik).
Die Idee hinter der Dependenzgrammatik ist bis heute wichtig – nicht nur in der Linguistik, sondern auch in der Computerlinguistik (z. B. für Übersetzungsprogramme oder Sprachassistenten).
Der Kopf – das wichtigste Wort in der Gruppe
Der Kopf ist das Wort, das die Kontrolle hat. Er bestimmt:
- Die Kategorie der ganzen Wortgruppe (z. B. ob es ein Satz, eine Nominalphrase oder eine Präpositionalphrase ist).
- Die Regeln, nach denen die anderen Wörter sich anpassen (z. B. welcher Fall, welche Verbform).
Beispiele:
- In hat gesprochen ist hat der Kopf. Es legt die Zeitform (Perfekt) fest. Gesprochen ergänzt die Bedeutung.
- In den Wagen ist Wagen der Kopf. Den hängt von ihm ab und passt sich im Fall (Akkusativ) an.
Kurz gesagt: Der Kopf ist wie der „Chef“ in einer Gruppe von Wörtern, die anderen Wörter richten sich nach ihm.
So hast du die Grundidee:
- Dependenz = Hierarchie zwischen Wörtern.
- Soziation = Wörter auf derselben Ebene.
- Der Kopf = Das zentrale Wort, das alles bestimmt.
Dependenzanalyse – wie geht das?
Jetzt, wo wir wissen, was Dependenz bedeutet, schauen wir uns an, wie man nach den Regeln der Dependenzgrammatik Dependenzen im Satz erkennt und darstellt. Die Dependenzgrammatik benutzt dazu Dependenzstemmata – das sind Diagramme, die zeigen, welches Wort von welchem abhängt.
Ein Dependenzstemma funktioniert wie ein kleiner Baum, aber mit einer Besonderheit:
- Es gibt einen Hauptknoten, das ist meistens das Verb.
- Von diesem Hauptknoten gehen Pfeile zu anderen Wörtern, die davon abhängen.
- Jedes Wort (außer dem Hauptwort) hängt von genau einem anderen ab.
Ein Beispiel: „Ludwig fuhr den Wagen in die Garage“
Schauen wir uns diesen Satz an:
Ludwig fuhr den Wagen in die Garage.
- fuhr ist das zentrale Verb → Es ist der Kopf des ganzen Satzes.
- Ludwig hängt als Subjekt vom Verb ab. → Es sagt, wer fährt.
- den Wagen hängt als Objekt ebenfalls vom Verb ab. → Es sagt, was gefahren wurde.
- in die Garage hängt als Präpositionalphrase ebenfalls vom Verb ab. → Es sagt, wohin gefahren wurde.
- Innerhalb von den Wagen hängt den vom Substantiv Wagen ab.
- Innerhalb von in die Garage hängt die Garage von der Präposition in ab, und die hängt von Garage ab.
So entsteht eine Art Netzwerk, das genau zeigt, wie jedes Wort mit einem anderen verbunden ist.
Grafische Darstellung – das Dependenzstemma
So könnte man den Satz als Dependenzstemma darstellen (vereinfacht in Textform):
fuhr
/ | \
Ludwig Wagen in
| \
den Garage
|
die
- fuhr ist die Wurzel (der oberste Punkt).
- Ludwig, Wagen und in hängen direkt von fuhr ab.
- den hängt von Wagen ab.
- Garage hängt von in ab und die hängt von Garage ab.
So ein Diagramm macht sichtbar, wie eng die Wörter zusammenhängen und welche Wörter „Chef“ und welche „Mitarbeiter“ sind.
Die Regeln der Dependenz
Damit so ein Dependenzdiagramm funktioniert, gibt es ein paar Grundregeln:
- Ein Wort ist die Wurzel: In einem Hauptsatz ist das fast immer ein Verb.
- Jedes andere Wort hängt von genau einem Wort ab: So gibt es keine losen Teile.
- Ein Wort kann mehrere Abhängige haben: Zum Beispiel kann ein Verb Subjekt, Objekt und eine Präpositionalphrase gleichzeitig regieren.
Diese Regeln helfen, die Struktur von Sätzen klar und übersichtlich darzustellen.
Warum ist Dependenz so praktisch?
Die Dependenzgrammatik hat einige Vorteile:
- Sie ist übersichtlicher als klassische Baumdarstellungen (Konstituenzbäume).
- Sie funktioniert auch bei komplizierten Sätzen sehr gut.
- Sie wird in der Computerlinguistik benutzt, z. B. für Übersetzungsprogramme, Grammatikprüfungen oder künstliche Intelligenz.
Wenn du schon einmal gesehen hast, wie ein Programm wie Google Translate oder DeepL einen Satz analysiert, dann arbeitet es meistens mit Dependenzmodellen, um die Grammatik zu verstehen.
Dependenz in der Praxis – weitere Beispiele
Beispiel 1:
Der kleine Hund schläft im Körbchen.
- schläft ist das Hauptverb.
- Hund hängt davon ab (Subjekt).
- Der und kleine hängen von Hund ab.
- im Körbchen hängt von schläft ab.
- im (Präposition) ist Kopf der Phrase, Körbchen hängt davon ab.
Beispiel 2:
Anna gibt Peter das Buch.
- gibt ist das Verb (Wurzel).
- Anna (Subjekt), Peter (Dativobjekt) und das Buch (Akkusativobjekt) hängen davon ab.
- das hängt von Buch ab.
FAQ – Häufige Fragen
1. Was ist der Unterschied zwischen Kopf und Dependent?
Der Kopf ist das wichtigste Wort. Der Dependent hängt vom Kopf ab und ergänzt dessen Bedeutung.
2. Warum ist das Verb meistens der Kopf?
Weil es die Handlung im Satz beschreibt und alle anderen Teile sich daran orientieren.
3. Gibt es Sätze ohne Dependenz?
Nein, jeder Satz hat Abhängigkeiten zwischen seinen Wörtern.
4. Wozu braucht man Dependenz in der Linguistik?
Um Sätze genau zu analysieren und zu verstehen, wie Wörter zusammenarbeiten.
Fazit: Dependenz macht Satzstrukturen klar
Dependenz zeigt uns, wer im Satz das Sagen hat und wie alle anderen Wörter davon abhängen.
Es ist eine klare, flexible Methode, um Sätze zu verstehen – egal, ob im Sprachunterricht, in der Forschung oder in der Computertechnik.
Quellen
Lehmann, C. (o. J.). Dependenzgrammatik. In Morphologie und Syntax. Abgerufen am 2. August 2025, von https://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/grammar/morph_syn/dependenz.php