Das Englische hat heutzutage eine Dominanzstellung und einen immer größeren Einfluss auf die deutsche Sprache. Viele befürchten, dass das Englische eine so große Bedeutung bekommen könnte, dass es das Deutsche schließlich ganz verdrängt. Ist das realistisch?
Ob beruflich oder im Urlaub, wer kein Englisch spricht, kommt nicht sehr weit. Anglizismen wie „Cashflow“, „Human Resources Development“ oder „Management“ haben schon längst ihren Einzug in die Wirtschaft gehalten. Englisch ist in vielen Unternehmen sogar Lingua franca, also Verkehrssprache. Forschungsinstitute, Universitäten und Kongresse leben vom regen Austausch auf Englisch. Circa die Hälfte aller Webseiten im Internet sind auf Englisch verfasst. Dies alles und der Import englischer Begriffe ins Deutsche wie „Internet“ oder „Sale“ sind Gründe für die Befürchtung, dass Englisch das Deutsche und andere europäische Sprachen verdrängen könnte und zur Sprache der Zukunft wird.
Warum hat gerade Englisch einen so großen Einfluss?
Was ist denn der Grund dafür, dass gerade Englisch einen so großen Einfluss auf die Kommunikation in Europa hat und nicht zum Beispiel Deutsch, Französisch oder Spanisch? Das liegt vor allem an der Wirtschaft. Die US-amerikanische Wirtschaft ist für Europa wichtig, hat seit dem 2. Weltkrieg eine Vorbildfunktion und viele wissenschaftliche und technologische Entwicklungen stammen aus US-Amerika. Aber auch Kultur, wie Popmusik, hat einen großen Einfluss auf die englische Sprache in Europa.
Befürchtet wird also, dass das Englische so dominant wird, dass andere Sprachen untergehen und somit Englisch als globale Einheitssprache die Welt regiert.
Wird Englisch alle Sprachen in Europa verdrängen?
Man kann die Entwicklung von Sprachen nicht vorhersagen. Sprachwandel ist dafür ein zu komplexer Prozess. Aber es gibt einiges, das gegen eine solche Monosprache spricht. Also gegen Englisch als alleinige Sprache in Europa.
Erstens: Es wäre am einfachsten und günstigsten, wenn die Kommunikation auf EU-Ebene im Parlament, in Ausschüssen usw. nur auf Englisch stattfinden würde. Allerdings sind alle Mitglieder der EU gleichberechtigt. In der Europäischen Union bestehen 24 gleichgestellte Amts- und Arbeitssprachen (Jahr 2020). Eine Sprache zur Einheitssprache zu erheben, wäre eine Diskriminierung den anderen Sprachen gegenüber. Zudem steht in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C83/02), Artikel 22, dass die Union die „Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen achtet. […] Diskriminierungen insbesondere wegen der Sprache sind verboten“ (Artikel 21). Mehrsprachigkeit und Schutz der Nationalsprachen werden demnach in der EU hoch gehandelt.
Zweitens: Kulturelle und sprachliche Unterschiede stärken die sprachliche Vielfalt. Der enge Sprachkontakt kann sogar dafür sorgen, dass die Sprachen im Sprachkontakt gestärkt werden. Das sieht man auch im Internet. Die weltweite Vernetzung bietet kleinen Sprachgruppen eine Plattform sich auszutauschen, Sprachkurse anzubieten und Sprachpflege zu betreiben. Somit stärkt das Internet eher kleinere Sprachen, als dass es sie schwächt.
Beispiel
Das Chinesische kann man auch in einer Alphabetschrift schreiben. Allerdings festigt das chinesische Schriftsystem die Sprachkultur, gerade weil es sich von der lateinischen Alphabetschrift unterscheidet.
Drittens: Der technologische Fortschritt verbessert Übersetzungstools und Spracherkennungssoftware in einem so rasanten Tempo, dass eine Lingua franca wohl kaum nötig sein wird. Dadurch werden die einzelnen Sprachen gestärkt.
Wie sich das Englische im Kontakt zu anderen Sprachen entwickeln wird, weiß keiner. Dass die englische Sprache aber bald alle Sprachen in Europa verdrängt, ist meiner Meinung nach unwahrscheinlich.
Quellen
https://w3techs.com/technologies/history_overview/content_language
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:12010P/TXT&from=EN
Schlobinski, P. (2014). Grundfragen der Sprachwissenschaft: eine Einführung in die Welt der Sprache (n) (Vol. 4125). UTB.
Nächster Beitrag
Verludert die deutsche Sprache?
Die Linguistik ist keine Sprachpolizistin, die vorschreibt, was man nicht und was man wohl sagen oder schreiben darf. Linguistik hat zur Aufgabe, die Sprache zu beschreiben.